Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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in allem ist. Indem es mich denkend und staunend macht, führt es mich immer höher hinan auf die<br />
Höhen der Ehrfurcht vor dem Leben"(88;228).<br />
Wenn es auch mehr nach dem Anorganischen klingt, so ist doch auch Ernst Jünger fasziniert von<br />
der Natur: „Phantastische Formen bringt das Leben hervor, in seinen verschwiegenen Laboratorien<br />
und Zauberküchen im Abgrund der Meere, im glühenden Wachstumssturm überhitzter Wälder<br />
oder in seinen Steinschneidereien und Miniaturschmieden, in denen Kalk, Horn und Kieselsäure<br />
gemeistert werden“(47;43).<br />
"Wahrhaft ethisch ist der Mensch nur, wenn er der Nötigung gehorcht, allem Leben, dem er<br />
beistehen kann, zu helfen, und sich scheut, irgend etwas Lebendigem Schaden zu tun"(88;229).<br />
Dies könnte man eine christliche Variante romantischer Lebensphilosophie nennen. Mit dem von<br />
Mahavira gegründeten Jainismus wäre Schweitzers Ethik aber genausogut vereinbar. Die Nähe zu<br />
diesem könnte sich bei Albert Schweitzer durch seine Schopenhauer - Lektüre entwickelt haben.<br />
Abgesehen von der Herkunft von Schweitzers Gedanken, stellt sich mir die wichtige Frage, welche<br />
Weltanschauung geeignet sei, die Ehrfurcht vor dem Leben bei ihren Anhängern zu installieren.<br />
Welche Gestalt müßte der freie Wille annehmen, um Ehrfurcht vor dem Leben zu entwickeln.<br />
Kant nennt den freien Willen die Grundlage aller moralischen Gesetze (vgl. 44;46). Damit ist der<br />
freie Wille auch Voraussetzung jedweden sittlichen Handelns. Andererseits bestimmt der<br />
Grundsatz der Moralität den Willen (vgl.44;182). Es ist nicht möglich, überhaupt zu handeln,<br />
wenn kein ethisches Prinzip dieser Handlung zugrundeliegt, damit ist auch unmöglich, nicht<br />
sittlich zu handeln, wenn man voraussetzt, daß jeder unter "Sitte" etwas anderes versteht. Gäbe es<br />
nämlich eine für alle gültige Sitte, die bestimmte Handlungen billigt und andere verwirft, dann<br />
wäre es möglich, entgegen dieser Sitte und damit „sittenlos“ zu handeln. Stattdessen folgt aber<br />
jeder in seinem Handeln einer - wie auch immer gearteten - Sitte. Treffen Menschen aufeinander,<br />
die unter „guten Sitten“ Unterschiedliches verstehen, dann ist ihre Kommunikation mit der<br />
Tendenz zum Mißverständnis behaftet. Verantwortliches Handeln ist immer auch zugleich<br />
sittliches Handeln, das ohne freien Willen undenkbar ist.<br />
Dieser kantianische Gedanke wird bei Jonas entwickelt und stellt die Grundlage seiner Ethik der<br />
<strong>Verantwortung</strong> dar, wenngleich er auch die Denkbarkeit von Nietzsches Vorbehalten gegen den<br />
kategorischen Imperativ einräumt (vgl.44;35u.68;574).<br />
Andererseits folgt auch unverantwortliches Handeln der Idee eines Besser - als und ist so letztlich<br />
auch sittlich - moralisch bestimmt, immer vorausgesetzt, daß man unter Sitte das On fait einer<br />
bestimmten Epoche versteht. Kant muß wie andere Aufklärer zu sehr davon überzeugt gewesen<br />
sein, daß Vernunft auch Tugend hervorbringt.<br />
Eindeutig kann hier jedoch festgestellt werden, daß jedwedem Handeln Willensfreiheit zugrunde<br />
liegen muß, wodurch diese auch immer eingeschränkt sein mag. Verantwortlichem Handeln muß<br />
eine Reflexion des Willens und seiner Freiheit vorausgehen, da ein Wille, der sich des eigenen<br />
<strong>Das</strong>eins nicht bewußt ist, unfähig ist, <strong>Verantwortung</strong> zu übernehmen.