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Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk

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Blick darauf, wieviel von einem Biest im Menschen steckt, dargestellt natürlich als Analyse der<br />

korrupten Verhältnisse in Frankreich zur Zeit des Niedergangs der Monarchie, der die Realität, mit<br />

der de Sade natürlich nicht dienen kann 68 , wie man inzwischen weiß, in nichts nachstand<br />

(80;229f.). Sehr interessant, wenn auch den omne vivum ex ovo - Satz ignorierend, sind auch seine<br />

Ausführungen über die Wiedergeburt der Materie (vgl.80;51). Die Sexualität war ihm ebenso wie<br />

Schopenhauer und später Freud allgewaltig. Alle drei deuteten sie jedoch als blinde Kraft: Freud<br />

als Ursache für Neurosen, Schopenhauer als das Wahre vernebelnd, wofür ihm der Begriff<br />

„Existenz“ noch nicht zur Verfügung stand, de Sade agierte die Sexualität als blinde Kraft in<br />

seinen Romanen aus, in Form von Gewaltausbrüchen und heimtückischer Bosheit, als erster von<br />

den Dreien übrigens.<br />

III.3.9 Eduard von Hartmanns anthropofugaler Standpunkt<br />

Der Ex - Offizier und Privatgelehrte Eduard von Hartmann veröffentlichte 1869 seine Philosophie<br />

des Unbewußten 69 , mit der er an Schopenhauer anknüpfte 70 . In diesem Werk hat er die<br />

Ratlosigkeit eines Bewußtseins, das sein <strong>Das</strong>ein zwar als permanentes Leiden erfährt, aber nur<br />

über<br />

ungenügende Mittel zur Abhilfe verfügt, wie etwa die narkotisierenden Einflüsse fernöstlicher<br />

Lehren, oder andere lediglich partikulare Mittel, klar zum Ausdruck gebracht. Er gestand offen<br />

„die Ohnmacht einer spekulativen Phantasie“(40;51) ein, die im „präatomaren 19.<br />

Jahrhundert“(ebd.) noch nicht über Mittel verfügte, die „leidvolle menschliche Existenz in<br />

globalem Maßstab“(ebd.) aufzuheben.<br />

<strong>Das</strong> Schopenhauersche Konzept zur „individuellen Negation des Willens“ kommentiert Hartmann<br />

folgendermaßen: als Option für den Einzelnen sei dies unmöglich, weil mit Schopenhauers<br />

Grundgedanken unvereinbar, daß nämlich der Wille das „all-einige Wesen der Welt“ sei und das<br />

„Individuum nur subjektiver Schein“. Dem individuellen Willen stünde es nicht zu, sich selbst<br />

aufzuheben, sei er doch selbst „nur ein Strahl jenes all -einigen Willens“. Darum sei ein Streben<br />

nach individueller Willensverneinung „noch törichter als der Selbstmord“, zeitigt es doch dieselbe<br />

Auswirkung, nur qualvoller und zeitlich verzögert, nämlich die „Aufhebung dieser Erscheinung,<br />

ohne das Wesen zu berühren, das für jede aufgehobene Individualerscheinung sich unaufhörlich in<br />

neuen Individuen darstellt und objektiviert“(ebd.). Gerade weil Hartmann sich zum<br />

Schopenhauerschen Pessimismus bekennt, kann er sich nicht dessen „halbherzigem asketischen<br />

Meliorismus“ anschließen. Wo das Leid allgegenwärtig „und das Glück immer Illusion<br />

ist“(40;52), Hartmann analysiert akribisch und weitläufig die „Phantasmata“(ebd.) des Glücks, sei<br />

es vermeintlich diesseits, jenseits, in Zukunft, oder sonstwo. Die Erlösung muß alle erfassen und<br />

nicht nur das unteilbare menschliche Einzelding. Die Erlösung muß als kollektiver Akt erfolgen,<br />

68 Er brachte nahezu sein ganzes Leben in Gefängnissen und Irrenhäusern zu.<br />

69 Freud adaptierte den Begriff später für seine Psychoanalyse.<br />

70 Wahrscheinlich ist auf diesem Weg auch Schopenhauers Gedankengut in Freuds<br />

Werk gelangt.

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