Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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Dies erinnert an die Idee der notwendigen Zerstörung des Ego bei Ramakrishna:"Wie kann die<br />
Idee der Egoheit zerstört werden? Man braucht ständige Übung, um es zu schaffen ..."(1;30) und<br />
"Dem Willen zum Leben ist das Leben gewiß"(85;392,400). Diese Stellen würden ohne ihren<br />
Bezug zur indischen Mythologie aber ganz unverständlich bleiben. Woher will Schopenhauer<br />
sonst wissen, daß das Leben nur scheinbar mit dem Tod vergeht (85;392)?<br />
In Schopenhauer sieht Horstmann den Denker der Vernichtung, vielleicht weil die „Verneinung<br />
des Willens zum Leben“ ein so allgemeiner Vorschlag mit Forderungscharakter ist. Die Sehnsucht<br />
nach individueller Auslöschung wurde nur durch Schopenhauers Reduktion um die Transzendenz<br />
bei seiner Wiedergabe fernöstlicher Schriften so profan, so wörtlich.<br />
Schopenhauers Zurückweisung des Leibnizschen Optimismus hat es Horstmann besonders<br />
angetan. Man erkennt die Schlechtigkeit der „schlechtesten aller möglichen Welten“ und verneint<br />
den Willen zum Leben, denn dieser ist blind: man schließt eine Ehe und vermehrt sich, aber alles<br />
Schöne daran hat man nur geträumt. Die Wirklichkeit ist der alltägliche Hick - Hack, den man aber<br />
verdrängt. Hier psychologisiert Schopenhauer. Man kommt, wenn man sich dem Willen zum<br />
Leben verweigert, zur eigentlichen Existenz, frei von Erpreßbarkeit.<br />
Diese eigentliche Existenz (vgl.22;33f.) hat aber zum Ziel nur die Auslöschung allen Lebens,<br />
urteilt Horstmann, denn das Mitgefühl (!) gebietet dem einzelnen, wahrhaft Existierenden, die<br />
Wohltat des Ausgelöschtseins auch den anderen leidenden Lebewesen, Pflanzen, Tieren und<br />
<strong>Untier</strong>en zu gewähren.<br />
Schopenhauer sieht als Pessimist in seiner Zeit tatsächlich wenig Anlaß zu jubeln: "Wie der<br />
Mensch mit dem Menschen verfährt, zeigt z.B. die Negersklaverei, deren Endzweck Zucker und<br />
Kaffee ist. Aber man braucht nicht so weit zu gehn: im Alter von fünf Jahren eintreten in die<br />
Garnspinnerei, oder sonstige Fabrik, und von Dem an erst 10, dann 12, endlich 14 Stunden täglich<br />
darin sitzen und die selbe mechanische Arbeit verrichten, heißt das Vergnügen, Athem zu holen,<br />
theuer erkaufen. Dies aber ist das Schicksal von Millionen, und viele andere Millionen haben ein<br />
analoges"(86;750). Ein moderneres Beispiel, ut sit homo homini lupus, zitiere ich bei Edson Melo<br />
in dem Artikel "Wesen und Mission Brasiliens", der hier in einer Fußnote seinerseits Caetano<br />
Veloso zitiert: "... eine Reihe Soldaten, beinahe alles Schwarze, schlagen in das Genick von<br />
schwarzen Nichtsnutzen, mulattischen Dieben und anderen fast Weißen, die wie Schwarze<br />
behandelt werden, nur um den anderen beinahe Schwarzen (und sie sind beinahe alle schwarz) zu<br />
zeigen, wie es ist, wenn Schwarze, Arme und Mulatten und fast Weiße, die so arm sind, daß sie<br />
fast Schwarze sind, behandelt werden, und nichts macht es dabei, wenn die Augen der Welt für<br />
einen Moment auf den Hof gerichtet sind, wo die Sklaven bestraft wurden..."(96;34).<br />
<strong>Das</strong> Dichterische der Diktion verhindert hier die Wahrnehmung der Härte. In „Eine Geschichte der<br />
Folter, durch die Zeitalter“(89), ebenso wie in „Sterben und Tod im Mittelalter“(74) werden die<br />
Möglichkeiten, einem Menschen wehzutun, ziemlich deutlich und vollständig anhand von<br />
realhistorischen Beispielen dargelegt. Abgesehen davon, daß er mit solchen, wenn auch fiktiven,<br />
Beispielen ebenfalls nicht spart, ermöglichen die Schriften des Donatiën de Sade auch einen tiefen