Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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4. Kapitel: Einzelne Grundre<strong>ch</strong>tsgewährleistungen<br />
mals unter Glei<strong>ch</strong>heitsgesi<strong>ch</strong>tspunkten aufgegriffen werden müssen. Das Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t<br />
läßt im Gegenzug au<strong>ch</strong> die Freiheitsre<strong>ch</strong>tsprüfung zurücktreten,<br />
wenn der Fall eine stärkere sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Beziehung zu Glei<strong>ch</strong>heitsfragen<br />
aufweist, so daß dann Art. 3 I GG den einzigen Prüfungsmaßstab bildet. Gelegentli<strong>ch</strong><br />
wird innerhalb einer sol<strong>ch</strong>en Glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>tsprüfung auf den besonderen<br />
S<strong>ch</strong>utzgehalt einzelner Freiheitsre<strong>ch</strong>te eingegangen (z.B. BVerfGE 82, 60 [86]<br />
– Steuerfreies Existenzminimum).<br />
Für die Prüfung ergeben si<strong>ch</strong> daraus drei Grundkonstellationen: Erstens –<br />
das ist der häufigste Fall – werden auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> Freiheitsre<strong>ch</strong>te geprüft, wenn<br />
die Aspekte der Unglei<strong>ch</strong>behandlung neben dem Eingriff in die Freiheit keine eigenständige<br />
Bes<strong>ch</strong>wer darstellen. Zweitens werden ausführli<strong>ch</strong> die Freiheitsre<strong>ch</strong>te<br />
und dana<strong>ch</strong> nur kurz die Glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>te geprüft, wenn neben der Freiheitsbes<strong>ch</strong>ränkung<br />
au<strong>ch</strong> eine Ungere<strong>ch</strong>tigkeit gegenüber anderen als eigenständige<br />
Bes<strong>ch</strong>wer gerügt wird:<br />
»... V ma<strong>ch</strong>t geltend, der Gesetzgeber dürfe das Verteilen von Flugblättern ni<strong>ch</strong>t bes<strong>ch</strong>ränken;<br />
er dürfe es jedenfalls ni<strong>ch</strong>t den politis<strong>ch</strong>en Parteien gestatten, während<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsleute ausges<strong>ch</strong>lossen seien. ...«<br />
In sol<strong>ch</strong>en Fällen genügt es, mit der Willkürformel 36 zu arbeiten; stellt si<strong>ch</strong> dabei<br />
heraus, daß eine unzulässige Freiheitsbes<strong>ch</strong>ränkung vorliegt, so kann die Frage<br />
na<strong>ch</strong> dem sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Grund der Differenzierung (verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tfertigung)<br />
knapp verneint werden: eine Verletzung von Freiheitsre<strong>ch</strong>ten vermag<br />
keinerlei Re<strong>ch</strong>tfertigung für Unglei<strong>ch</strong>behandlungen zu bieten. Drittens s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
kann eine reine Glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>tsprüfung geboten sein, wenn die gesamte<br />
Problematik darauf zuges<strong>ch</strong>nitten ist. In sol<strong>ch</strong>en Fällen sollte mit der neuen<br />
Formel 37 gearbeitet, also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bezogen auf die Differenzierung<br />
dur<strong>ch</strong>geführt werden. Im Rahmen der Abwägung, ob das Mittel<br />
der Differenzierung zum Zweck der Differenzierung no<strong>ch</strong> in einem angemessenen<br />
Verhältnis steht, sind dann die Re<strong>ch</strong>tsgüter der Freiheitsgrundre<strong>ch</strong>te<br />
zwanglos mit einzubringen. Wird also beispielsweise eine staatli<strong>ch</strong>e Förderung<br />
der Heilbehandlung auf die Gruppe der Rentner bes<strong>ch</strong>ränkt, so fließt der hohe<br />
Rang der körperli<strong>ch</strong>en Unversehrtheit argumentativ in das Guta<strong>ch</strong>ten ein, weil er<br />
das Gewi<strong>ch</strong>t mitbestimmt, das die Differenzierung für die bena<strong>ch</strong>teiligten Jüngeren<br />
hat.<br />
Die Systemgere<strong>ch</strong>tigkeit ist ein besonderes Gebot des Glei<strong>ch</strong>heitssatzes, mit<br />
dem der Gesetzgeber an seinen eigenen Ents<strong>ch</strong>eidungen festgehalten wird: sobald<br />
er si<strong>ch</strong> in einem Sa<strong>ch</strong>berei<strong>ch</strong> für einzelne Differenzierungskriterien ents<strong>ch</strong>ieden<br />
hat, darf er ni<strong>ch</strong>t mehr ohne Grund von diesen abwei<strong>ch</strong>en. Von einem<br />
sol<strong>ch</strong>en selbst gesetzten Regelsystem kann es einerseits im Einzelfall begründete