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Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch

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Fall 6: Helmpfli<strong>ch</strong>t 195<br />

gung, Rehabilitationsmaßnahmen, Versorgung von Invaliden, Versi<strong>ch</strong>erungsleistungen).<br />

Würde man diese Begründung zulassen, so stünde es letztli<strong>ch</strong> dem<br />

Staat frei, dur<strong>ch</strong> ein di<strong>ch</strong>tes Netz von Solidaritätsregeln die Inkaufnahme eigener<br />

Risiken ganz unmögli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en. Jedenfalls kann die Gestaltungsfreiheit des<br />

Normgebers bei den sozialen Si<strong>ch</strong>erungssystemen also ni<strong>ch</strong>t in jedem Fall zu einer<br />

Legitimation für Risikoverbote führen.<br />

(c) Der Eingriff verfolgt aber neben dieser problematis<strong>ch</strong>en Stoßri<strong>ch</strong>tungen au<strong>ch</strong><br />

den Zweck, die Beifahrer vor Unfalls<strong>ch</strong>äden zu bewahren, die sie ni<strong>ch</strong>t als Folge<br />

eines allgemeinen Handlungsrisikos bewußt in Kauf genommen haben. Mittelbar<br />

werden zudem andere Verkehrsteilnehmer ges<strong>ch</strong>ützt, wenn die Handlungsfähigkeit<br />

der Motorradfahrer bei einem Unfall gesi<strong>ch</strong>ert ist. Au<strong>ch</strong> Kradfahrer<br />

müssen unter Umständen andere Unfallbeteiligte vor weiteren S<strong>ch</strong>äden retten,<br />

um so ihrer strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> verankerten Hilfeleistungspfli<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>zukommen. Der<br />

öffentli<strong>ch</strong>e Straßenverkehr ist also ni<strong>ch</strong>t allein Privatsa<strong>ch</strong>e, sondern berührt in erhebli<strong>ch</strong>em<br />

Maße au<strong>ch</strong> öffentli<strong>ch</strong>e Belange, so daß der Staat eine erhöhte Verantwortung<br />

trägt.<br />

(d) Wenn man allein auf die unproblematis<strong>ch</strong>en Intentionen des Normgebers abstellt,<br />

also auf die S<strong>ch</strong>utzwirkungen, die eine Helmpfli<strong>ch</strong>t zugunsten Dritter<br />

auslöst, dann könnte dies glei<strong>ch</strong>wohl genügen, um die Regelung des § 27a II<br />

StVO verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zu re<strong>ch</strong>tfertigen. Die Beeinträ<strong>ch</strong>tigung der Handlungsfreiheit<br />

hat nämli<strong>ch</strong> verglei<strong>ch</strong>sweise geringes Gewi<strong>ch</strong>t. Gemessen an der<br />

Freiheitsverwirkli<strong>ch</strong>ung, die im Motorradfahren selbst liegt, ist die Frage, ob dies<br />

mit oder ohne Helm zu ges<strong>ch</strong>ehen hat, von sehr geringer Bedeutung. Deshalb<br />

genügen s<strong>ch</strong>on entfernte oder kleine Vorteile für den Dritts<strong>ch</strong>utz, um eine<br />

Helmpfli<strong>ch</strong>t angemessen zu ma<strong>ch</strong>en. Folgli<strong>ch</strong> verstößt § 27a II StVO ni<strong>ch</strong>t gegen<br />

den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.<br />

Die allgemeine Handlungsfreiheit des A aus Art. 2 I GG ist ni<strong>ch</strong>t verletzt.<br />

3. Verletzung des Glei<strong>ch</strong>heitssatzes (Art. 3 I GG)<br />

Fragli<strong>ch</strong> ist, ob die Helmpfli<strong>ch</strong>t für Kraftradfahrer gegen den allgemeinen<br />

Glei<strong>ch</strong>heitssatz des Art. 3 I GG verstößt, der sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gere<strong>ch</strong>tfertigte Unglei<strong>ch</strong>behandlungen<br />

verbietet.<br />

Zwar liegt eine Unglei<strong>ch</strong>behandlung von Motorradfahrern und Radfahrern<br />

vor, also zwis<strong>ch</strong>en Gruppen von Verkehrsteilnehmern, die in den benutzten<br />

Fahrzeugen und teils in den Fahrges<strong>ch</strong>windigkeiten dur<strong>ch</strong>aus verglei<strong>ch</strong>bar sind.<br />

Diese Differenzierung könnte aber dur<strong>ch</strong> einen hinrei<strong>ch</strong>enden sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Grund<br />

verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> gere<strong>ch</strong>tfertigt sein. In § 27a II StVO ist nämli<strong>ch</strong> eine Regelung<br />

getroffen, die außer den langsam fahrenden Kleinkrafträdern au<strong>ch</strong> alle an-

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