Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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6. Kapitel: Fälle und Lösungen<br />
1. Beteiligtenfähigkeit<br />
A ist als natürli<strong>ch</strong>e Person Träger von <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong>n und demgemäß »jedermann«<br />
i.S.v. § 90 I BVerfGG – also beteiligtenfähig.<br />
2. Verfahrensfähigkeit<br />
Für A als Minderjährigen stellt si<strong>ch</strong> die besondere Frage, ob er im Rahmen einer<br />
Verfassungsbes<strong>ch</strong>werde selbst verfahrensfähig ist, also ohne seine gesetzli<strong>ch</strong>en<br />
Vertreter Handlungen vornehmen kann.<br />
Die Verfahrensfähigkeit vor dem Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t ist gesetzli<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t geregelt. Als verfahrensfähig im Rahmen der Verfassungsbes<strong>ch</strong>werde gelten<br />
Minderjährige dann, wenn sie grundre<strong>ch</strong>tsmündig sind. Grundre<strong>ch</strong>tsmündigkeit<br />
bezei<strong>ch</strong>net die grundre<strong>ch</strong>tsspezifis<strong>ch</strong>e Altersgrenze, ab der ein Minderjähriger<br />
au<strong>ch</strong> ohne oder gegen den Willen der Erziehungsbere<strong>ch</strong>tigten eine<br />
Grundre<strong>ch</strong>t ausüben kann. Das Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t stellt dafür auf die<br />
Einsi<strong>ch</strong>tsfähigkeit ab.<br />
Von einem 16-jährigen kann normalerweise die notwendige Einsi<strong>ch</strong>tsfähigkeit<br />
und Verstandesreife erwartet werden. In diesem Alter sind si<strong>ch</strong> Minderjährige<br />
des Inhalts und der Tragweite ihrer Handlungen im Straßenverkehr bewußt.<br />
Au<strong>ch</strong> der Gesetzgeber ist bei Einführung der Fahrerlaubnis der Klasse 4 davon<br />
ausgegangen, daß Minderjährige insoweit zur verantwortli<strong>ch</strong>en Teilnahme am<br />
Straßenverkehr fähig sind. Anhaltspunkte dafür, daß die Einsi<strong>ch</strong>tsfähigkeit des<br />
A geringer als bei seinen Altersgenossen sein könnte, gibt es ni<strong>ch</strong>t.<br />
A ist daher grundre<strong>ch</strong>tsmündig und damit verfahrensfähig.<br />
3. Bes<strong>ch</strong>werdegegenstand<br />
Ein zulässiger Bes<strong>ch</strong>werdegegenstand liegt in der Neuregelung des § 27a II StVO,<br />
die funktional ein Akt der Gesetzgebung, organisatoris<strong>ch</strong> ein sol<strong>ch</strong>er der Exekutive<br />
ist, in jedem Fall aber ein Akt öffentli<strong>ch</strong>er Gewalt.<br />
4. Bes<strong>ch</strong>werdebefugnis<br />
Für die Bes<strong>ch</strong>werdebefugnis müßte eine Grundre<strong>ch</strong>tsverletzung des A zumindest<br />
mögli<strong>ch</strong> sein; eine sol<strong>ch</strong>e ist bezügli<strong>ch</strong> Art. 2 I, 3 I GG jedenfalls ni<strong>ch</strong>t ausges<strong>ch</strong>lossen.<br />
A müßte außerdem dur<strong>ch</strong> die angegriffene Regelung selbst, gegenwärtig und<br />
unmittelbar betroffen sein. Dur<strong>ch</strong> § 21a II StVO ist A als Kraftradfahrer selbst<br />
betroffen. Gegenwärtig ist die Wirkung der Norm, weil sie bereits vor vier Monaten<br />
in Kraft getreten ist. Fragli<strong>ch</strong> ist allein, ob die Regelung au<strong>ch</strong> unmittelbar