Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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4. Kapitel: Einzelne Grundre<strong>ch</strong>tsgewährleistungen<br />
3. Meinungsfreiheit (Art. 5 I GG)<br />
Artikel 5<br />
(1) 1 Jeder hat das Re<strong>ch</strong>t, seine Meinung in Wort, S<strong>ch</strong>rift und Bild frei zu äußern<br />
und zu verbreiten. 2 ... . 3 Eine Zensur findet ni<strong>ch</strong>t statt.<br />
(2) Diese Re<strong>ch</strong>te finden ihre S<strong>ch</strong>ranken in den Vors<strong>ch</strong>riften der allgemeinen<br />
(3) ...<br />
Gesetze, den gesetzli<strong>ch</strong>en Bestimmungen zum S<strong>ch</strong>utze der Jugend und in<br />
dem Re<strong>ch</strong>t der persönli<strong>ch</strong>en Ehre.<br />
Wi<strong>ch</strong>tige Ents<strong>ch</strong>eidungen: BVerfGE 7, 198 – Lüth; 12, 113 – S<strong>ch</strong>mid/Spiegel;<br />
85, 1 – Kritis<strong>ch</strong>e Bayer-Aktionäre; 90, 1 – Leugnung deuts<strong>ch</strong>er Kriegss<strong>ch</strong>uld;<br />
90, 241 – Leugnung der Judenverfolgung; 90, 255 – Briefüberwa<strong>ch</strong>ung; 97, 391<br />
– Mißbrau<strong>ch</strong>sbezi<strong>ch</strong>tigung.<br />
Meinungen im Sinne des Art. 5 I GG sind alle Werturteile und zusätzli<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e<br />
Tatsa<strong>ch</strong>enbehauptungen, die Voraussetzung zur Bildung von Werturteilen sind.<br />
Mit dieser anerkannten Erweiterung ist es meist unnötig, die philosophis<strong>ch</strong>e Frage<br />
zu erörtern, ob eine Aussage dem Wahrheitsbeweis zugängli<strong>ch</strong> und damit eine<br />
Tatsa<strong>ch</strong>enbehauptung ist. Vom S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> ausgenommen sind nur isolierte<br />
(d.h. überhaupt ni<strong>ch</strong>t mit Wertungen verbundene) Tatsa<strong>ch</strong>enbehauptungen,<br />
die zudem erwiesen oder bewußt unwahr sind. In allen anderen Fällen ist<br />
der sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> eröffnet. Die genannten Modalitäten (Wort, S<strong>ch</strong>rift,<br />
Bild, Äußern, Verbreiten) sind nur Beispiele, keine enumerative Reduzierung des<br />
S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong>s. Der persönli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> erfaßt au<strong>ch</strong> Minderjährige und<br />
juristis<strong>ch</strong>e Personen 57 .<br />
Im qualifizierten Gesetzesvorbehalt 32 des Art. 5 II GG sind die allgemeinen<br />
Gesetze die mit Abstand wi<strong>ch</strong>tigste S<strong>ch</strong>rankenklausel: na<strong>ch</strong> der extensiven Auslegung<br />
des Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>ts geht selbst der zivilre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Ehrens<strong>ch</strong>utz<br />
darin auf; nur der strafre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Ehrens<strong>ch</strong>utz greift no<strong>ch</strong> auf die eigenständige<br />
S<strong>ch</strong>rankenklausel in Art. 5 II GG zurück.<br />
Allgemeine Gesetze sind diejenigen Gesetze, »die si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gegen die Äußerung<br />
einer Meinung als sol<strong>ch</strong>e ri<strong>ch</strong>ten, die vielmehr dem S<strong>ch</strong>utz eines<br />
s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin, ohne Rücksi<strong>ch</strong>t auf eine bestimmte Meinung, zu s<strong>ch</strong>ützenden<br />
Re<strong>ch</strong>tsgutes dienen« (BVerfGE 7, 198 [209] – Lüth). Der zweite Teil der Definition<br />
ist so vage, daß im Ergebnis praktis<strong>ch</strong> jedes Gesetz, das um der Re<strong>ch</strong>tsgüter<br />
anderer willen die Meinungsfreiheit regelt, als allgemeines Gesetz gelten kann.<br />
Die Prüfung verlagert si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> ganz in die Abwägung im Rahmen der Ver-