Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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6. Kapitel: Fälle und Lösungen<br />
(1) Geeignetheit<br />
Die in § 573 BGB geregelte Eins<strong>ch</strong>ränkung des Kündigungsre<strong>ch</strong>ts ist dazu geeignet,<br />
das Besitzre<strong>ch</strong>t des Mieters abzusi<strong>ch</strong>ern und so den Mieters<strong>ch</strong>utz zu fördern.<br />
(2) Erforderli<strong>ch</strong>keit<br />
Ein milderes Mittel zur Gewährleistung eines verglei<strong>ch</strong>baren Mieters<strong>ch</strong>utzes ist<br />
ni<strong>ch</strong>t ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>. Die Regelung ist also au<strong>ch</strong> erforderli<strong>ch</strong>.<br />
(3) Angemessenheit<br />
Die Privatnützigkeit des Wohnungseigentums muß mit der Sozialbindung gemäß<br />
Art. 14 II GG und den glei<strong>ch</strong>falls na<strong>ch</strong> Art. 14 I GG ges<strong>ch</strong>ützten Interessen<br />
des Mieters abgewogen werden.<br />
Generell ist bei eigentumsrelevanten Abwägungen eine differenzierte Betra<strong>ch</strong>tung<br />
erforderli<strong>ch</strong>. Soweit das Eigentum die Funktion hat, die persönli<strong>ch</strong>e<br />
Freiheit des einzelnen zu si<strong>ch</strong>ern, weist die grundre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Freiheitsbetätigung<br />
einen starken personalen Bezug auf und genießt ausgeprägten S<strong>ch</strong>utz, so daß für<br />
den inhalts- und s<strong>ch</strong>rankenbestimmenden Gesetzgeber strenge Maßstäbe gelten.<br />
Dagegen rei<strong>ch</strong>t die gesetzgeberis<strong>ch</strong>e Befugnis zur Inhalts- und S<strong>ch</strong>rankenbestimmung<br />
umso weiter, je mehr das Eigentum in einem sozialen Bezug und in<br />
einer sozialen Funktion steht.<br />
Das Eigentum an einer Mietwohnung steht in intensivem sozialen Bezug und<br />
ist daher einer weitrei<strong>ch</strong>enden Bes<strong>ch</strong>ränkung zugängli<strong>ch</strong>. Eine Beendigung des<br />
Mietverhältnisses ist für den Mieter mit Kosten und Unzuträgli<strong>ch</strong>keiten in persönli<strong>ch</strong>er,<br />
familiärer, wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er und sozialer Hinsi<strong>ch</strong>t verbunden. Für die<br />
Angemessenheit des gesetzli<strong>ch</strong>en Kündigungss<strong>ch</strong>utzes spri<strong>ch</strong>t, daß große Teile<br />
der Bevölkerung zur Deckung ihres Wohnungsbedarfs ni<strong>ch</strong>t auf eigenes Grundeigentum<br />
zurückgreifen können, sondern auf Mietwohnungen angewiesen sind.<br />
Mietwohnungen bilden dabei den Lebensmittelpunkt des Mieters. Das Besitzre<strong>ch</strong>t<br />
der Mieter erfüllt daher eine verglei<strong>ch</strong>bar gewi<strong>ch</strong>tige Funktion, wie sie dem<br />
Sa<strong>ch</strong>eigentum an Wohnraum zukommt. Weiter ist zu berücksi<strong>ch</strong>tigen, daß eine<br />
Vermietung in der Regel freiwillig erfolgt. Das re<strong>ch</strong>tfertigt es, dem Interesse des<br />
Mieters grundsätzli<strong>ch</strong> Vorrang einzuräumen und die Kündigung von einem bere<strong>ch</strong>tigten<br />
Interesse des Vermieters abhängig zu ma<strong>ch</strong>en.<br />
Im Falle einer Eigenbedarfskündigung hingegen stehen si<strong>ch</strong> zwei Nutzungsinteressen<br />
mit starkem personalen Bezug gegenüber, so daß in diesem Fall dem<br />
Interesse des Eigentümers die größere Dur<strong>ch</strong>setzungskraft zukommt. Der Gesetzgeber<br />
hat insofern mit § 573 BGB die kollidierenden Vermieter- und Mieterinteressen<br />
zu einem sa<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>ten und im Ergebnis angemessenen Ausglei<strong>ch</strong><br />
gebra<strong>ch</strong>t.