Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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Fall 5: S<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>terlaubnis 187<br />
(1) Die Geeignetheit des S<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>tverbots mit restriktivem Ausnahmetatbestand<br />
zur Förderung des Tiers<strong>ch</strong>utzes ergibt si<strong>ch</strong> daraus, daß mit dem Verbot das Leiden<br />
und der S<strong>ch</strong>merz von Tieren beim S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ten verringert werden und mit<br />
dem Vorbehalt der Ausnahmegenehmigung präventive staatli<strong>ch</strong>e Kontrollen für<br />
die Sa<strong>ch</strong>kunde und persönli<strong>ch</strong>e Eignung der s<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>tenden S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ter mögli<strong>ch</strong><br />
werden.<br />
(2) Die Erforderli<strong>ch</strong>keit folgt daraus, daß weniger eins<strong>ch</strong>neidende Maßnahmen<br />
den Tiers<strong>ch</strong>utz ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> wirksam fördern könnten.<br />
(3) Problematis<strong>ch</strong> ist die Angemessenheit der Regelung.<br />
Gegen die Angemessenheit spri<strong>ch</strong>t das hohe Gewi<strong>ch</strong>t, das eine religiös motivierte<br />
S<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>tung für die Lebensführung gläubiger Moslems hat, indem es ihnen<br />
den Fleis<strong>ch</strong>genuß ohne Verstoß gegen ihre Überzeugungen ermögli<strong>ch</strong>t. Dieser<br />
Religionsbezug ist bei der Frage berufli<strong>ch</strong>er Freiheit mit zu berücksi<strong>ch</strong>tigen. Andererseits<br />
trägt aber der Ausnahmetatbestand des Gesetzes den »Bedürfnissen<br />
von Angehörigen bestimmter Religionsgemeins<strong>ch</strong>aften« bereits ausdrückli<strong>ch</strong><br />
Re<strong>ch</strong>nung. Der Tatbestand läßt damit im Rahmen der Einzelfallents<strong>ch</strong>eidung einen<br />
hinrei<strong>ch</strong>enden Spielraum, um die Verbotswirkung auf den zumutbaren Gehalt<br />
zu bes<strong>ch</strong>ränken. Unter diesen Umständen ist die Regelung selbst no<strong>ch</strong> als<br />
angemessen anzusehen.<br />
Folgli<strong>ch</strong> ist § 4a I, II Nr. 2 TierS<strong>ch</strong>G selbst verfassungsgemäß und dadur<strong>ch</strong><br />
Teil der verfassungsmäßige Ordnung im Sinne von Art. 2 I GG; die Norm kommt<br />
damit als Grundlage für eine Bes<strong>ch</strong>ränkung der Berufsfreiheit von Ausländern in<br />
Betra<strong>ch</strong>t.<br />
b) Verfassungsmäßigkeit der Anwendung des § 4a II Nr. 2 TierS<strong>ch</strong>G in<br />
Form der Genehmigungsverweigerung<br />
Fragli<strong>ch</strong> ist aber, ob die Anwendung des Ausnahmetatbestandes im konkreten<br />
Fall verfassungsgemäß war.<br />
Behörden und Geri<strong>ch</strong>te haben bei Auslegung und Anwendung der Norm bereits<br />
den Tatbestand verneint. Sie sind davon ausgegangen, daß es für die Muslime,<br />
die zum Kundenstamm des T gehören, keine zwingende Vors<strong>ch</strong>rift ihrer<br />
Religionsgemeins<strong>ch</strong>aft ist, nur Fleis<strong>ch</strong> von ges<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>teten Tieren zu essen. Die<br />
Begründung stützt si<strong>ch</strong> darauf, daß der zwingende Charakter religiöser Gebote<br />
nur objektiv na<strong>ch</strong> den Aussagen der Religionsgemeins<strong>ch</strong>aft, ni<strong>ch</strong>t aber subjektiv<br />
na<strong>ch</strong> der Überzeugung einzelner Gruppen von Glaubensangehörigen vorgenommen<br />
werden darf. Diese restriktive Interpretation könnte gegen den Grundsatz<br />
der Verhältnismäßigkeit verstoßen.