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Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch

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III. Privatsphäre und Vertrauli<strong>ch</strong>keit 79<br />

tion dur<strong>ch</strong> den Staat (Anhalten von Gefangenenpost) betrifft ni<strong>ch</strong>t Art. 10 I GG.<br />

Der grundre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>utz ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> in sol<strong>ch</strong>en Fällen na<strong>ch</strong> dem Inhalt (Art. 5<br />

I, 12 I, 5 III oder 2 I GG).<br />

Die drei Geheimnisse sind eigenständige <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong>, die aber neben dem<br />

glei<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utzziel no<strong>ch</strong> weitere Gemeinsamkeiten aufweisen. Vom persönli<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> der <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> umfaßt sind sämtli<strong>ch</strong>e Kommunikationsteilnehmer;<br />

ein Eingriff entfällt folgli<strong>ch</strong> nur, wenn alle Beteiligten ihr Einverständnis<br />

mit der Offenbarung erklärt haben, was etwa bei Fangs<strong>ch</strong>altungen problematis<strong>ch</strong><br />

ist (vgl. Grundre<strong>ch</strong>tsverzi<strong>ch</strong>t 29 ). Umstritten ist, ob au<strong>ch</strong> die Kommunikationsdienstleister<br />

bezügli<strong>ch</strong> der von ihnen vermittelten Kommunikation<br />

grundre<strong>ch</strong>tsbere<strong>ch</strong>tigt sind, oder ob sie si<strong>ch</strong> gegenüber Eingriffen in ihre Vermittlungstätigkeit<br />

(z.B. dur<strong>ch</strong> staatli<strong>ch</strong>e Telekommunikationsüberwa<strong>ch</strong>ung) auf<br />

die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) oder allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG)<br />

stützen müssen.<br />

Zum gemeinsamen sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> aller Kommunikationsformen<br />

gehören außer dem Kommunikationsinhalt au<strong>ch</strong> die Umstände der Kommunikation<br />

selbst, etwa die Verbindungsdaten oder die Adressierung. Zeitli<strong>ch</strong> ist der<br />

S<strong>ch</strong>utz auf die Übermittlung bes<strong>ch</strong>ränkt: sobald die Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t beim Empfänger<br />

ankommt, gilt Art. 10 I GG ni<strong>ch</strong>t mehr, sondern je na<strong>ch</strong> Umständen das Re<strong>ch</strong>t auf<br />

S<strong>ch</strong>utz der Wohnung (Art. 13 I GG) oder der S<strong>ch</strong>utz der Privatsphäre dur<strong>ch</strong> das<br />

allgemeine Persönli<strong>ch</strong>keitsre<strong>ch</strong>t 77 .<br />

Das Fernmeldegeheimnis ist bei allen ni<strong>ch</strong>tkörperli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenübertragungen<br />

betroffen, also außer bei Telefonaten au<strong>ch</strong> bei Fax, E-Mail und anderen<br />

Internetdiensten, glei<strong>ch</strong> ob sie dur<strong>ch</strong> elektris<strong>ch</strong>e Leitungen, Glasfaserkabel oder<br />

in Funknetzen übertragen werden. Es muß si<strong>ch</strong> um individuelle Kommunikation<br />

handeln, so daß Rundfunk auss<strong>ch</strong>eidet. Für Internetdienste ist die Zuordnung<br />

im Einzelfall vorzunehmen: der glei<strong>ch</strong>förmig von vielen abrufbare Internet-<br />

Rundfunk unterfällt ni<strong>ch</strong>t dem Fernmeldegeheimnis; Mailing-Listen und individualisierte<br />

Push-Dienste, die si<strong>ch</strong> an einen bestimmten Empfängerkreis ri<strong>ch</strong>ten,<br />

hingegen s<strong>ch</strong>on. Mit Blick darauf, daß das Grundre<strong>ch</strong>t auf die fernmeldete<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />

Übertragungsart abstellt, kann ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> dem Inhalt der Kommunikation<br />

differenziert werden. S<strong>ch</strong>on deshalb genießen außer Texten au<strong>ch</strong> Bild, Ton und<br />

Film den S<strong>ch</strong>utz des Art. 10 I GG, solange sie individualisiert im Internet ausgetaus<strong>ch</strong>t<br />

werden.<br />

Zu Briefen gehören alle s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten an individuelle Empfänger<br />

(ni<strong>ch</strong>t: Massenwurfsendungen), die den mündli<strong>ch</strong>en Informationsaustaus<strong>ch</strong> ersetzen,<br />

also insbesondere klassis<strong>ch</strong>e Briefe, Päck<strong>ch</strong>en, Postkarten, Drucksa<strong>ch</strong>en<br />

und Paketen, ni<strong>ch</strong>t jedo<strong>ch</strong> Sendungen, die von außen erkennbar ohne individuelle<br />

Information sind (Zeitungen, gekennzei<strong>ch</strong>nete Bü<strong>ch</strong>ersendungen, Kataloge).

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