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Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch

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I. Allgemeine Handlungsfreiheit 67<br />

den S<strong>ch</strong>utz der allgemeinen Handlungsfreiheit fallen (z.B. Taubenfüttern,<br />

Helmpfli<strong>ch</strong>t 189 ). Das ist na<strong>ch</strong> wie vor umstritten und in den Grundre<strong>ch</strong>tsordnungen<br />

anderer Ländern au<strong>ch</strong> anders geregelt (z.B. kein Grundre<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz von<br />

Bagatellhandlungen in der S<strong>ch</strong>weiz). Eine guta<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Problematisierung der<br />

Frage ist nur nötig, wenn der S<strong>ch</strong>werpunkt des Falles bei Art. 2 I GG liegt. Dann<br />

sind von der herrs<strong>ch</strong>enden Meinung die besonders enge Persönli<strong>ch</strong>keitskerntheorie<br />

(Peters: ges<strong>ch</strong>ützt ist nur das Handeln, das zur Persönli<strong>ch</strong>keitsbildung erforderli<strong>ch</strong><br />

ist) sowie die Bagatellisierungslehre (Dieter Grimm: ges<strong>ch</strong>ützt ist jedes<br />

Handeln außer Bagatellhandlungen) abzugrenzen (vgl. die Fälle: Reiten im Walde<br />

148 und Helmpfli<strong>ch</strong>t 189 ).<br />

Die restriktiveren Interpretationen hätten unter anderem den Na<strong>ch</strong>teil, daß<br />

die allgemeine Handlungsfreiheit ni<strong>ch</strong>t mehr als Auffanggrundre<strong>ch</strong>t fungieren<br />

könnte. Generell gilt nämli<strong>ch</strong>, daß Art. 2 I GG immer dann automatis<strong>ch</strong> Freiheitss<strong>ch</strong>utz<br />

gewährt, wenn kein S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> eines speziellen Freiheitsre<strong>ch</strong>ts<br />

eins<strong>ch</strong>lägig ist. Es gibt nur wenige Konstellationen, in denen von dieser Auffangfunktion<br />

eine Ausnahme gema<strong>ch</strong>t wird, etwa bei unfriedli<strong>ch</strong>en Versammlungen<br />

86 : sie sollen na<strong>ch</strong> herrs<strong>ch</strong>ender Meinung weder na<strong>ch</strong> Art. 8 I GG no<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

Art. 2 I GG grundre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utz genießen – ein Ergebnis, das wegen der Gefahr<br />

eines unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes Kritik verdient.<br />

Im übrigen tritt Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit ein, sobald<br />

der S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> eines Grundre<strong>ch</strong>ts hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> desselben Lebenssa<strong>ch</strong>verhalts<br />

bejaht wird – und zwar selbst dann, wenn im Ergebnis keine Verletzung dieses<br />

Grundre<strong>ch</strong>ts vorliegt. Es wäre deshalb fals<strong>ch</strong>, erst einen Eingriff in die Berufsfreiheit<br />

für gere<strong>ch</strong>tfertig und dana<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> der allgemeinen Handlungsfreiheit<br />

für betroffen zu halten. Hier genügt vielmehr ein Satz:<br />

»1. ... [Prüfung der Berufsfreiheit]<br />

2. Gegenüber dem S<strong>ch</strong>utz der Berufsfreiheit tritt die allgemeine Handlungsfreiheit<br />

(Art. 2 I GG) als subsidiär zurück.«<br />

Als in besonderem Maße anerkannte, aber glei<strong>ch</strong>wohl ni<strong>ch</strong>t ausdrückli<strong>ch</strong> im<br />

Grundgesetz normierte Gehalte unterfallen einige Innominatfreiheitsre<strong>ch</strong>te (unbenannte<br />

Freiheitsre<strong>ch</strong>te) der allgemeinen Handlungsfreiheit: die Ausreisefreiheit,<br />

das Ansammlungsre<strong>ch</strong>t, die Privatautonomie. Das Grundre<strong>ch</strong>t ist ferner<br />

eins<strong>ch</strong>lägig als Abwehrre<strong>ch</strong>t gegenüber Abgaben (Steuern, Gebühren, Beiträgen,<br />

ausnahmsweise au<strong>ch</strong>: Sonderabgaben), denn die Eigentumsfreiheit 102 (Art. 14 I<br />

GG) s<strong>ch</strong>ützt ni<strong>ch</strong>t das Vermögen als sol<strong>ch</strong>es.<br />

In der S<strong>ch</strong>rankentrias des Art. 2 I GG nimmt die verfassungsmäßige Ordnung<br />

eine überragende Stellung ein, weil sie alle Re<strong>ch</strong>tsnormen umfaßt und<br />

damit au<strong>ch</strong> die Re<strong>ch</strong>te anderer und das Sittengesetz vollständig eins<strong>ch</strong>ließt. Gut-

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