Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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3. Kapitel: Allgemeine Grundre<strong>ch</strong>tslehren<br />
erfolgt diese als verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tfertigung im Rahmen der Glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>tsprüfung.<br />
2. Deuts<strong>ch</strong>en- und Jedermanngrundre<strong>ch</strong>te<br />
Jedermanns- oder Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te sind für alle Personen unabhängig von ihrer<br />
Staatsangehörigkeit gewährleistet (z.B. Art. 2 I, 2 II, 3 I, 4 I, 5 I, 6, 10, 13, 14 GG),<br />
so daß der persönli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> dieser <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> nur bei<br />
Minderjährigen 56 , juristis<strong>ch</strong>en Personen 57 oder anderen Sonderkonstellationen<br />
(z.B. S<strong>ch</strong>utz ungeborenen Lebens 69 ) erörtert werden muß. Deuts<strong>ch</strong>en- oder Bürgerre<strong>ch</strong>te<br />
knüpfen hingegen tatbestandli<strong>ch</strong> an die Staatsbürgers<strong>ch</strong>aft an, so daß<br />
der persönli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> in jedem Fall gesondert geprüft werden muß (z.B.<br />
Art. 8 I, 9 I, 11 I, 12 I, 16 II, 20 IV, 33 I, 33 II, 38 I 1 GG). Ausländer sind im Sa<strong>ch</strong>berei<strong>ch</strong><br />
dieser Deuts<strong>ch</strong>engrundre<strong>ch</strong>te ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>utzlos, sondern können si<strong>ch</strong> auf<br />
die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) berufen.<br />
Einen Sonderfall bilden diejenigen Deuts<strong>ch</strong>engrundre<strong>ch</strong>te, die si<strong>ch</strong> über die<br />
Grundfreiheiten des Primärre<strong>ch</strong>ts der Europäis<strong>ch</strong>en Union zu Unionsbürgerre<strong>ch</strong>ten<br />
gewandelt haben (Art. 8 I, 9 I, 12 I GG). Selbst wenn (anders als beim<br />
Kommunalwahlre<strong>ch</strong>t, vgl. Art. 28 I 3 GG) der Text des Grundgesetzes diese Entwicklung<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t widerspiegelt, sind diese <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> so anzuwenden, daß<br />
die Unionsbürgerinnen eine den Deuts<strong>ch</strong>engrundre<strong>ch</strong>ten glei<strong>ch</strong>wertige Grundre<strong>ch</strong>tsposition<br />
erhalten. Dazu kann man entweder den S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> der Versammlungs-,<br />
Vereinigungs- und Berufsfreiheit (Art. 8 I, 9 I, 12 I GG) erweiternd<br />
auslegen, oder die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) anwenden, wobei<br />
die Bes<strong>ch</strong>ränkbarkeit derjenigen der Deuts<strong>ch</strong>engrundre<strong>ch</strong>te anzupassen ist. Eine<br />
parallele Konstellation findet si<strong>ch</strong> bei der Grundre<strong>ch</strong>tsbere<strong>ch</strong>tigung der europäis<strong>ch</strong>en<br />
juristis<strong>ch</strong>en Personen 58 .<br />
3. Positive und negative Seite der Freiheitsre<strong>ch</strong>te<br />
Als negative Seite der Freiheitsre<strong>ch</strong>te versteht man die Befugnis, von einer Betätigungsmögli<strong>ch</strong>keit<br />
ni<strong>ch</strong>t Gebrau<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en. Eine sol<strong>ch</strong>e negative Seite kann<br />
grundsätzli<strong>ch</strong> bei allen <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong>n vorkommen; sie ist ebenso ges<strong>ch</strong>ützt wie<br />
die häufiger eins<strong>ch</strong>lägige positive Freiheit. Wird beispielsweise jemand an der<br />
Ausübung seiner Religion gehindert, so ist die positive Religionsfreiheit betroffen;<br />
wird er zur Ausübung der Religion gezwungen, so ist es die negative Religionsfreiheit.<br />
Praktis<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tig ist die negative Freiheit vor allem bei der Kontrolle<br />
von gesetzli<strong>ch</strong>en Zwangsmitglieds<strong>ch</strong>aften, etwa in berufständis<strong>ch</strong>en Kammern<br />
(vgl. Vereinigungsfreiheit 88 ).