Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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I. Materielle Prüfung – Abwehrre<strong>ch</strong>tsprüfung 35<br />
»3. Verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tfertigung<br />
Der dur<strong>ch</strong> das Hausverbot begründete Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit<br />
könnte als Ausdruck der S<strong>ch</strong>rankenklausel der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2<br />
I GG) gere<strong>ch</strong>tfertigt sein. Dazu müßte einerseits die gesetzli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ranke im Sinne<br />
dieser Klausel, das Rau<strong>ch</strong>verbotsgesetz, selbst verfassungsgemäß sein (a); andererseits<br />
müßte die Anwendung des Gesetzes in Gestalt des Hausverbots dem Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
genügen (b).«<br />
Bei der Formulierung des Guta<strong>ch</strong>tens ist dann au<strong>ch</strong> inhaltli<strong>ch</strong> säuberli<strong>ch</strong> zu trennen:<br />
Die Norm selbst wird abstrakt-generell geprüft, also na<strong>ch</strong> ihrer allgemeinen<br />
Zielri<strong>ch</strong>tung und in ihrer Wirkung in allen denkbaren Fällen auf alle Normadressaten.<br />
Die Einzelmaßnahme prüft man hingegen konkret-individuell, also bezogen<br />
auf das einzelne von der Verwaltung verfolgte Anliegen und in ihrer Wirkung<br />
auf diesen Adressaten in genau diesem einen Fall.<br />
Keinesfalls dürfen alle Klausuren mit einer doppelten Verhältnismäßigkeitsprüfung<br />
gelöst werden. Bei sehr allgemein formulierten Gesetzesregeln, etwa<br />
den Tatbeständen des StGB oder den allgemeinen Normen des BGB, wird an deren<br />
Verfassungsmäßigkeit kaum je ernsthaft zu zweifeln sein, weil regelmäßig<br />
die Mögli<strong>ch</strong>keit zu verfassungskonformer Auslegung besteht. Dann konzentriert<br />
si<strong>ch</strong> die Prüfung ganz auf die Anwendung der Norm (z.B.: Verurteilung wegen<br />
Nötigung, Kündigungss<strong>ch</strong>utz des Mieters). In anderen Fällen ist die Norm bereits<br />
so konkret, daß der Umsetzungsakt ni<strong>ch</strong>t mehr gesondert geprüft werden<br />
muß (z.B.: Steuersätze). Nur in den verbleibenden Fällen sind glei<strong>ch</strong>zeitig die<br />
Norm selbst und ihre Anwendung in Gestalt der Einzelmaßnahme fragli<strong>ch</strong>.<br />
(4) Einen Sonderfall bilden Verfassungsänderungen. Sie ri<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> in formeller<br />
Hinsi<strong>ch</strong>t außer na<strong>ch</strong> den allgemeinen Verfahrens- und Formvors<strong>ch</strong>riften für<br />
Bundesgesetze (Art. 76 ff. GG) au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> den Sonderregeln des Art. 79 I, II GG<br />
(Textänderungsgebot, Zweidrittelmehrheit), in denen implizit au<strong>ch</strong> die Kompetenz<br />
des Bundes enthalten ist. Materiell sind Verfassungsänderungen auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
an der sogenannten Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG zu messen:<br />
Artikel 79<br />
(1) 1 Das Grundgesetz kann nur dur<strong>ch</strong> ein Gesetz geändert werden, das den<br />
Wortlaut des Grundgesetzes ausdrückli<strong>ch</strong> ändert oder ergänzt. ...<br />
(2) Ein sol<strong>ch</strong>es Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder<br />
des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.<br />
(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e die Gliederung des<br />
Bundes in Länder, die grundsätzli<strong>ch</strong>e Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung<br />
oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze<br />
berührt werden, ist unzulässig.