Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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4. Kapitel: Einzelne Grundre<strong>ch</strong>tsgewährleistungen<br />
Das Postgeheimnis ist na<strong>ch</strong> neuerer Ansi<strong>ch</strong>t seit der Privatisierung und Aufspaltung<br />
der Post obsolet geworden, weil der Kommunikationsdienstleister mit<br />
s<strong>ch</strong>windender Staatsnähe au<strong>ch</strong> den Grund der Sonderbehandlung verloren hat.<br />
Der Grundre<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz ist insoweit auf das Brief- und Fernmeldegeheimnis bes<strong>ch</strong>ränkt,<br />
ohne daß si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> am S<strong>ch</strong>utzumfang Nennenswertes ändern würde:<br />
nur der separate Geheimniss<strong>ch</strong>utz der Postbank entfällt.<br />
Ein Eingriff in die Vertrauli<strong>ch</strong>keit der Kommunikation liegt vor, wenn si<strong>ch</strong><br />
staatli<strong>ch</strong>e Stellen ohne das Einverständnis sämtli<strong>ch</strong>er Kommunikationsteilnehmer<br />
Kenntnis von den Inhalten oder Umständen der Kommunikation vers<strong>ch</strong>affen.<br />
Wie generell beim Datens<strong>ch</strong>utz, bilden au<strong>ch</strong> Spei<strong>ch</strong>erung, Weitergabe oder<br />
sonstige Verwertung jenseits des die Erhebung ursprüngli<strong>ch</strong> legitimierenden<br />
Zweckes jeweils eigenständige Eingriffe. Da der Eingriff si<strong>ch</strong> in der geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
Verwendung fortsetzen würde, folgt aus Art. 10 I GG au<strong>ch</strong> ein Beweisverwertungsverbot<br />
für verfassungswidrig erhobene Daten. Problematis<strong>ch</strong> ist, ob bereits<br />
ein an die Kommunikationsbeteiligten geri<strong>ch</strong>tetes Vers<strong>ch</strong>lüsselungsverbot einen<br />
Eingriff in das Fernmeldegeheimnis darstellt; dagegen spri<strong>ch</strong>t, daß es si<strong>ch</strong> hier<br />
um die Gewährleistung einer bestimmten Form si<strong>ch</strong>erer Kommunikation, ni<strong>ch</strong>t<br />
um die Gewährleistung der Vertrauli<strong>ch</strong>keit handelt.<br />
Für die Verfassungss<strong>ch</strong>utzklausel (Art. 10 II 2, 19 IV 3 GG) hat das Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t<br />
mehrheitli<strong>ch</strong> eine verfassungskonforme Verfassungsauslegung<br />
vorgenommen: es müsse na<strong>ch</strong>prüfbare Anhaltspunkte für eine Gefährdung<br />
geben und das Ersatzverfahren der parlamentaris<strong>ch</strong>en Kontrolle müsse au<strong>ch</strong> ohne<br />
Beteiligung der Betroffenen verglei<strong>ch</strong>bar effizient s<strong>ch</strong>ützen wie der Re<strong>ch</strong>tsweg.<br />
Die Mehrheit der Literatur lehnt die Verfassungsänderung wegen Verstoßes<br />
gegen die Ewigkeitsgarantie 35 (Art. 79 III GG) in Verbindung mit dem<br />
Re<strong>ch</strong>tsstaats- und Gewaltenteilungsprinzip als verfassungswidriges Verfassungsre<strong>ch</strong>t<br />
ab.<br />
Selbst wenn der Auss<strong>ch</strong>luß vom Re<strong>ch</strong>tsweg in einem Guta<strong>ch</strong>ten für verfassungswidrig<br />
erklärt wird, bedürfen die gesetzli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ranken (G 10, §§ 99, 100a,<br />
119 III StPO, § 39 Außenwirts<strong>ch</strong>aftsG, § 12 FAG) der weiteren Prüfung, denn bei<br />
Aufre<strong>ch</strong>terhaltung des Re<strong>ch</strong>tsweges ist ni<strong>ch</strong>t jede Kontrolle automatis<strong>ch</strong> verfassungswidrig.<br />
Neben der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist hier au<strong>ch</strong> das Zitiergebot<br />
34 (Art. 19 I 2 GG) anzuwenden, wodur<strong>ch</strong> insbesondere die polizeili<strong>ch</strong>en Generalklauseln<br />
der Landesgesetze zur Eingriffsre<strong>ch</strong>tfertigung auss<strong>ch</strong>eiden.<br />
Typis<strong>ch</strong>e Themen für Prüfungsfälle: Telekommunikationsüberwa<strong>ch</strong>ung, Internet-Kommunikation,<br />
Kryptographieverbot, verfassungswidriges Verfassungsre<strong>ch</strong>t,<br />
Gefangenenpost.