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Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch

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I. Materielle Prüfung – Verhältnismäßigkeitsprüfung 25<br />

glei<strong>ch</strong>bar intensive Gefährdung anderer Mens<strong>ch</strong>en eintritt. Insgesamt steht ein<br />

Rau<strong>ch</strong>verbot in öffentli<strong>ch</strong>en Gebäuden deshalb ni<strong>ch</strong>t außer Verhältnis zu dem verfolgten<br />

S<strong>ch</strong>utzzweck; es ist verhältnismäßig.«<br />

Wer die Dreistufigkeit der Verhältnismäßigkeitsprüfung zusätzli<strong>ch</strong> betonen<br />

mö<strong>ch</strong>te, kann hier mit Zwis<strong>ch</strong>enübers<strong>ch</strong>riften arbeiten (1. Geeignetheit, 2. Erforderli<strong>ch</strong>keit,<br />

3. Angemessenheit). Das empfiehlt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong>, wenn außer der Angemessenheit<br />

bereits die Erforderli<strong>ch</strong>keit ausführli<strong>ch</strong> behandelt wird sowie bei<br />

mehrfa<strong>ch</strong> gestaffelte Zwis<strong>ch</strong>energebnissen (vgl. Fall 4: Festungsumzug 171 ). Ni<strong>ch</strong>t<br />

ratsam ist es hingegen, für die Nennung des Zweckes einen eigenen Prüfungspunkt<br />

zu reservieren, weil dadur<strong>ch</strong> die Dreistufigkeit der Verhältnismäßigkeitsprüfung<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr deutli<strong>ch</strong> hervortritt. Der gutgemeinte Rat, man könne vorab<br />

feststellen, ob es si<strong>ch</strong> bei der vom Gesetzgeber verfolgten Zielsetzung überhaupt<br />

um einen verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zulässigen Zweck handle, ist zwar inhaltli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

fals<strong>ch</strong>, führt aber insoweit in die Irre, als der theoretis<strong>ch</strong>e Fall eines s<strong>ch</strong>on unzulässigen<br />

Zwecks weder in Prüfungsfällen no<strong>ch</strong> in der Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung vorkommt.<br />

Allenfalls in der glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Verhältnismäßigkeitsprüfung oder im<br />

Rahmen der Dreistufentheorie 99 bei der Berufsfreiheit kann es in Einzelfällen<br />

sinnvoll sein, vorab na<strong>ch</strong> der verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Zulässigkeit des Differenzierungszieles<br />

oder Regelungszwecks zu fragen.<br />

Die präzise Feststellung des Zweckes ist eine in Guta<strong>ch</strong>ten häufig ni<strong>ch</strong>t bea<strong>ch</strong>tete<br />

Notwendigkeit. Fehler treten vor allem dann auf, wenn der Zweck der<br />

hoheitli<strong>ch</strong>en Maßnahme im Gesetz oder anläßli<strong>ch</strong> des Einzelakts ni<strong>ch</strong>t ausdrückli<strong>ch</strong><br />

benannt ist, sondern aus den Umständen hergeleitet werden muß. Es<br />

ist beispielsweise zu unspezifis<strong>ch</strong>, wenn als Zweck einer gesetzli<strong>ch</strong>en Regelung<br />

nur der ʹS<strong>ch</strong>utz Dritterʹ oder die ʹFörderung des Gemeinwohlsʹ erwähnt wird.<br />

Au<strong>ch</strong> wer in abstracto die ʹGesundheitʹ oder ʹFreiheitʹ als Zwecke benennt, hat<br />

damit no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t geklärt, wessen Gesundheit oder wessen Freiheit ges<strong>ch</strong>ützt oder<br />

gefördert werden soll. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung bleibt dann insgesamt<br />

mehrdeutig, weil bei den einzelnen Teilprüfungen ni<strong>ch</strong>t mehr sauber subsumiert<br />

werden kann. Besser ist es, im Zweifelsfalle mehrere Zwecke der Maßnahme im<br />

Detail zu benennen. Damit tritt allerdings ein Sonderproblem auf: die Prüfung<br />

einer hoheitli<strong>ch</strong>en Maßnahme, mit der erkennbar mehr als ein Zweck glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

verfolgt wird. Hier müssen die Zwecke alle aufgeführt werden und insgesamt zur<br />

Re<strong>ch</strong>tfertigung des Mittels herangezogen werden. Das heißt: die Förderung einzelner<br />

Zwecke genügt bereits für die Geeignetheit; die Maßnahme ist s<strong>ch</strong>on dann<br />

erforderli<strong>ch</strong>, wenn ein milderes Mittel hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> eines der Zwecke ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong><br />

wirksam ist; das Gewi<strong>ch</strong>t aller Zwecke zusammen wird mit der Beeinträ<strong>ch</strong>tigung<br />

des Grundre<strong>ch</strong>ts abgewogen.

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