Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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III. Privatsphäre und Vertrauli<strong>ch</strong>keit 83<br />
4. Ehe und Familie (Art. 6 I GG)<br />
Artikel 6<br />
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen S<strong>ch</strong>utze der staatli<strong>ch</strong>en<br />
Ordnung.<br />
(2) ... – (5) ...<br />
Wi<strong>ch</strong>tige Ents<strong>ch</strong>eidungen: BVerfGE 47, 46 – Sexualkundeunterri<strong>ch</strong>t; 76, 1 –<br />
Familienna<strong>ch</strong>zug; 80, 81 – Erwa<strong>ch</strong>senenadoption; 82, 60 – Steuerfreies Existenzminimum;<br />
92, 158 – Adoption II; 99, 145 – Gegenläufige Kindesrückführungsanträge;<br />
99, 216 – Familienlastenausglei<strong>ch</strong>.<br />
Das Grundre<strong>ch</strong>t auf Ehe und Familie s<strong>ch</strong>ützt als Institutsgarantie (d.h. Einri<strong>ch</strong>tungsgarantie<br />
im Zivilre<strong>ch</strong>t 56 ) den Kern der traditionellen Institute vor einfa<strong>ch</strong>gesetzli<strong>ch</strong>er<br />
Umgestaltung oder gar Abs<strong>ch</strong>affung. Jede größere Umwälzung im<br />
Ehe- und Familienre<strong>ch</strong>t wird deshalb von verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Fragen begleitet<br />
(Einführung des Zerrüttungsprinzips, Einführung der glei<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
Lebenspartners<strong>ch</strong>aft).<br />
Ehe ist die dur<strong>ch</strong> Mitwirkung des Staates begründete freiwillige Verbindung<br />
einer Frau und eines Mannes zur grundsätzli<strong>ch</strong> unauflösli<strong>ch</strong>en Lebensgemeins<strong>ch</strong>aft.<br />
Die ni<strong>ch</strong>teheli<strong>ch</strong>en Lebensgemeins<strong>ch</strong>aften und glei<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />
Partners<strong>ch</strong>aften fallen folgli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t unter den S<strong>ch</strong>utz des Art. 6 I GG, sondern<br />
unter die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG). Umstritten ist, ob die<br />
weitgehende Glei<strong>ch</strong>stellung der Glei<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>keit eine Beeinträ<strong>ch</strong>tigung<br />
der Institutsgarantie ist. In den S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> fällt die Ehes<strong>ch</strong>ließung (Ehename,<br />
Ehegüterre<strong>ch</strong>t), das eheli<strong>ch</strong>e Zusammenleben (Wohnortwahl) und die Ehes<strong>ch</strong>eidung<br />
eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>eidungsfolgen (Unterhalt).<br />
Familie ist die umfassende Gemeins<strong>ch</strong>aft von Eltern und Kindern, au<strong>ch</strong> der<br />
volljährigen. Die Familie besteht au<strong>ch</strong> ohne eine Ehe, au<strong>ch</strong> in Pflegeverhältnissen<br />
von längerer Dauer und au<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en alleinerziehenden Elternteilen und ihren<br />
Kindern, ni<strong>ch</strong>t aber unter elternlosen Ges<strong>ch</strong>wistern.<br />
Das implizite Diskriminierungsverbot des Art. 6 I GG (»unter dem besonderen<br />
S<strong>ch</strong>utz«) verbietet, daß re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>teile mit den Instituten verbunden<br />
sind. Dabei kann aber beispielsweise eine steuerli<strong>ch</strong>e Bena<strong>ch</strong>teiligung in Einzelfragen<br />
(gemeinsame Veranlagung) dadur<strong>ch</strong> gere<strong>ch</strong>tfertigt sein, daß die Verheirateten<br />
oder Eltern insgesamt gegenüber Unverheirateten oder Kinderlosen<br />
neutral behandelt oder mit Vorteilen beda<strong>ch</strong>t werden (Famlienlastenausglei<strong>ch</strong>,<br />
steuerfreies Existenzminimum). Ni<strong>ch</strong>t gere<strong>ch</strong>tfertigt wäre es hingegen, Arbeitsverträge<br />
zwis<strong>ch</strong>en Ehegatten für (steuer-)re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> irrelevant zu erklären. Die