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Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch

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I. Materielle Prüfung – Prüfungsreihenfolge 23<br />

eine besondere Formulierung für den Umstand, daß zwis<strong>ch</strong>en den S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong>en<br />

ein Verhältnis der exklusiven Alternativität (des gegenseitigen Auss<strong>ch</strong>lusses)<br />

besteht. Vom Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t wird dies analog zur lex specialis-<br />

Regel hergeleitet (vgl. BVerfGE 13, 290 [297]).<br />

Eine Idealkonkurrenz, bei der beide <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> nebeneinander anwendbar<br />

sind, ist in allen verbleibenden Fällen anzunehmen. Eine sol<strong>ch</strong>e Konkurrenzsituation<br />

tritt beispielsweise auf, wenn si<strong>ch</strong> ein Zeitungsredakteur sowohl auf die<br />

Presse- als au<strong>ch</strong> auf die Berufsfreiheit stützt oder wenn die Kir<strong>ch</strong>enzeitung<br />

glei<strong>ch</strong>zeitig unter den S<strong>ch</strong>utz der Religions- und der Pressefreiheit fällt. Au<strong>ch</strong><br />

idealkonkurrierende <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> müssen einzeln geprüft werden. Das führt<br />

ganz zwanglos zu dem Ergebnis, daß der jeweils stärkste S<strong>ch</strong>utzgehalt kontrollierend<br />

wirkt, eine Eins<strong>ch</strong>ränkung der Pressefreiheit also beispielsweise no<strong>ch</strong> gere<strong>ch</strong>tfertigt<br />

sein kann, die glei<strong>ch</strong>zeitig mit der Eins<strong>ch</strong>ränkung verbundene Wirkung<br />

auf die Religionsfreiheit aber zur Verfassungswidrigkeit führt.<br />

2. Verhältnismäßigkeitsprüfung<br />

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt abwehrre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> als Übermaßverbot,<br />

s<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> als Untermaßverbot und glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> der sogenannten<br />

ʹneuen Formelʹ37 als Verbot unverhältnismäßiger Differenzierung. In allen<br />

Fällen wird die Verhältnismäßigkeit geprüft, indem man das vom Hoheitsträger<br />

eingesetzte Mittel an dem damit verfolgten Zweck mißt (Mittel-Zweck-Relation);<br />

es gilt:<br />

Die Verhältnismäßigkeit ist nur dann gewahrt, wenn erstens das Mittel<br />

den Zweck überhaupt fördert (Geeignetheit, Taugli<strong>ch</strong>keit), wenn es zweitens<br />

kein milderes Mittel gibt, das denselben Zweck glei<strong>ch</strong> wirksam zu fördern<br />

vermag (Erforderli<strong>ch</strong>keit), und wenn drittens das Gewi<strong>ch</strong>t der mit<br />

dem Mittel verbundenen Grundre<strong>ch</strong>tsbeeinträ<strong>ch</strong>tigung zum Gewi<strong>ch</strong>t des<br />

mit der Maßnahme verfolgten Zweckes ni<strong>ch</strong>t außer Verhältnis steht (Verhältnismäßigkeit<br />

im engeren Sinne: Angemessenheit, Zumutbarkeit).<br />

Die Geeignetheitsprüfung besteht regelmäßig aus nur einem kurzen Satz, denn<br />

es kommt praktis<strong>ch</strong> nie vor, daß eine Maßnahme bereits untaugli<strong>ch</strong> ist, d.h. den<br />

Zweck überhaupt ni<strong>ch</strong>t fördert. Bei der Erforderli<strong>ch</strong>keitsfrage hat zwar der Gesetzgeber<br />

eine Eins<strong>ch</strong>ätzungsprärogative hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> der zu erwartetenden Wirksamkeit<br />

des Mittels, do<strong>ch</strong> sollte deshalb dieser Prüfungspunkt ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>ematis<strong>ch</strong><br />

abgehakt werden (»Mildere Mittel sind ni<strong>ch</strong>t ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>«). Häufig gibt es naheliegende<br />

Alternativen, die die grundre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Freiheit weniger stark bes<strong>ch</strong>ränken.<br />

Sol<strong>ch</strong>e Alternativmittel sollten im Guta<strong>ch</strong>ten benannt werden, glei<strong>ch</strong> wie<br />

das Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t gelegentli<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>e mildere Mittel im einzelnen

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