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Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch

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6. Kapitel: Fälle und Lösungen<br />

(1) Zwar ist die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung geeignet und erforderli<strong>ch</strong>,<br />

um den konkreten Zweck, Tiere vor der S<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>tung dur<strong>ch</strong> T zu s<strong>ch</strong>ützen,<br />

zu fördern.<br />

(2) Fragli<strong>ch</strong> ist aber die Angemessenheit der Genehmigungsversagung. Für die<br />

Angemessenheit der restriktiven Auslegung spri<strong>ch</strong>t, daß es zu einer sehr viel<br />

größeren Zahl von Ausnahmegenehmigungen und damit S<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>tungen kommen<br />

würde, wenn allein die Überzeugung einzelner Glaubensangehöriger das<br />

S<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>ten re<strong>ch</strong>tfertigen könnte. Zudem stellt der Tiers<strong>ch</strong>utz einen Gemeinwohlbelang<br />

dar, dem in der Bevölkerung allgemein ein hoher Stellenwert beigelegt<br />

wird.<br />

Andererseits betrifft die Verweigerung der Genehmigung ni<strong>ch</strong>t nur die Wirts<strong>ch</strong>aftsinteressen<br />

des T, sondern au<strong>ch</strong> dessen religiöse Motivation zu einer Solidarität<br />

mit seinen Glaubensbrüdern und mittelbar deren religiös motiviertes Begehren<br />

na<strong>ch</strong> Fleis<strong>ch</strong> von ges<strong>ch</strong>ä<strong>ch</strong>teten Tieren. Der Verzehr importierten Fleis<strong>ch</strong>s<br />

kann diesbezügli<strong>ch</strong> nur als eine Notlösung angesehen werden, denn dabei fehlt<br />

der persönli<strong>ch</strong>e Kontakt zum S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ter und damit ein wi<strong>ch</strong>tiges Element für das<br />

Vertrauen, daß das verzehrte Fleis<strong>ch</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> den Geboten des Islam entspri<strong>ch</strong>t.<br />

Außerdem ist die Verteuerung, die dur<strong>ch</strong> den Import eintritt, eine auf<br />

Dauer s<strong>ch</strong>werwiegende Beeinträ<strong>ch</strong>tigung für die religiöse Lebensführung, die<br />

vor allem arme Muslime stark trifft.<br />

Na<strong>ch</strong> alledem ist eine Auslegung der Tatbestandsmerkmale der ʹReligionsgemeins<strong>ch</strong>aftʹ<br />

und der ʹzwingenden Vors<strong>ch</strong>riftenʹ nur dann angemessen, wenn<br />

sie es ausrei<strong>ch</strong>en läßt, daß der Antrag im Interesse einer Gruppierungen innerhalb<br />

des Islam gestellt wird, die eine gemeinsame Glaubensüberzeugung verbindet,<br />

selbst wenn diese Überzeugung ni<strong>ch</strong>t für alle Muslime gilt. Die jede subjektive<br />

Überzeugung ignorierende Auslegung von Behörden und Geri<strong>ch</strong>ten im Falle<br />

des T wird diesem Erfordernis ni<strong>ch</strong>t mehr gere<strong>ch</strong>t. Folgli<strong>ch</strong> ist sie unangemessen.<br />

Die Interpretation des Art. 4a II Nr. 2 TierS<strong>ch</strong>G verletzt T in seinem Grundre<strong>ch</strong>t<br />

aus Art. 2 I GG.<br />

C) Ergebnis<br />

Die Verfassungsbes<strong>ch</strong>werde des T ist zulässig und begründet; sie hat folgli<strong>ch</strong><br />

Aussi<strong>ch</strong>t auf Erfolg.

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