Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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3. Kapitel:<br />
Allgemeine Grundre<strong>ch</strong>tslehren<br />
I. Arten der <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong><br />
Zur Gruppierung der <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> gibt es einerseits Klassifizierungen, die entlang<br />
von Di<strong>ch</strong>otomien trenns<strong>ch</strong>afe Unters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en den <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong>n<br />
betonen, und andererseits Typisierungen, die weder abs<strong>ch</strong>ließend no<strong>ch</strong> übers<strong>ch</strong>neidungsfrei<br />
die <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> eher na<strong>ch</strong> pragmatis<strong>ch</strong>en Gesi<strong>ch</strong>tspunkten<br />
gruppieren. Die folgenden Klassen und Typen bilden Anknüpfungspunkte für<br />
allgemeine Grundre<strong>ch</strong>tslehren und sind deshalb au<strong>ch</strong> für die Fallösungspraxis<br />
wi<strong>ch</strong>tig.<br />
1. Freiheits- und Glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>te<br />
Freiheitsre<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong>ern Handlungsmögli<strong>ch</strong>keiten, indem sie den Integritätsanspru<strong>ch</strong><br />
des Individuums betonen (z.B. Leben, körperli<strong>ch</strong>e Unversehrtheit, Würde,<br />
Vertrauli<strong>ch</strong>keit, Privatsphäre) oder aktive Betätigungsmögli<strong>ch</strong>keiten si<strong>ch</strong>ern (z.B.<br />
Meinungsfreiheit, Berufsfreiheit, Religionsausübungsfreiheit). Sie lassen si<strong>ch</strong> ohne<br />
weiteres als vorpositive Freiheiten verstehen, d.h. als sol<strong>ch</strong>e, die es bereits<br />
gibt, bevor eine staatli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tsordnung s<strong>ch</strong>öpferis<strong>ch</strong> tätig wird. Selbst<br />
ausgestaltungsbedürftige Freiheiten 28 wie die Eigentumsfreiheit haben einen<br />
vorpositiven Kern (sog. Arbeitstheorie des Eigentums: wer das Korn sät, dem<br />
steht die Ernte zu). Daraus ergibt si<strong>ch</strong> ohne weiteres, daß die Freiheit der ni<strong>ch</strong>t<br />
weiter begründungsbedürftige Normalfall ist, gegenüber dem jede staatli<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>ränkung<br />
der Re<strong>ch</strong>tfertigung bedarf. Praktis<strong>ch</strong> erfolgt diese als verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Re<strong>ch</strong>tfertigung im Rahmen der Abwehrre<strong>ch</strong>ts- oder S<strong>ch</strong>utzpfli<strong>ch</strong>tenprüfung.<br />
Glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong>ern Glei<strong>ch</strong>behandlung. Anders als Freiheitsre<strong>ch</strong>te<br />
ri<strong>ch</strong>ten sie si<strong>ch</strong> damit ni<strong>ch</strong>t auf eine definitive Integrität oder Betätigungsmögli<strong>ch</strong>keit,<br />
sondern fordern nur, daß wenn eine Bes<strong>ch</strong>ränkung oder Begünstigung<br />
eingeführt wird, diese glei<strong>ch</strong>mäßig zu erfolgen hat. Darin besteht ihr formaler<br />
(inhaltli<strong>ch</strong> ausfüllungsbedürftiger) bzw. modaler (von den Umständen abhängiger)<br />
Charakter. Die Glei<strong>ch</strong>behandlung kann ebenfalls als vorpositives Re<strong>ch</strong>t begriffen<br />
werden; Unglei<strong>ch</strong>behandlungen bedürfen der Re<strong>ch</strong>tfertigung. Praktis<strong>ch</strong>