Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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I. Materielle Prüfung – Abwehrre<strong>ch</strong>tsprüfung 31<br />
Ein Eingriff ist jede staatli<strong>ch</strong>e Maßnahme, die eine in den S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> fallende<br />
Tätigkeit ers<strong>ch</strong>wert, verbietet, unmögli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t oder sanktioniert,<br />
insbesondere jede Maßnahme, mit der dies zielgeri<strong>ch</strong>tet und re<strong>ch</strong>tsförmig<br />
ges<strong>ch</strong>ieht (klassis<strong>ch</strong>er Eingriff).<br />
Meist kann man dana<strong>ch</strong> sofort feststellen, warum der geprüfte Hoheitsakt eine<br />
zielgeri<strong>ch</strong>tete und re<strong>ch</strong>tsförmige Freiheitsminderung enthält. Ist das ausnahmsweise<br />
ni<strong>ch</strong>t der Fall, so bietet diese Begriffsbestimmung bereits den Ausgangspunkt<br />
dafür, daß au<strong>ch</strong> mittelbare und faktis<strong>ch</strong> Eingriffe mit verglei<strong>ch</strong>barer Wirkung<br />
dem klassis<strong>ch</strong>en Eingriff glei<strong>ch</strong>gestellt werden müssen. Man<strong>ch</strong>mal liegt ein<br />
Eingriff sogar derart offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> vor, daß er ohne Begriffsdefinition mit einem<br />
einzigen Satz festgestellt werden kann (vgl. Fall 6: Helmpfli<strong>ch</strong>t 189 ).<br />
Verfassungsprozessual ist hierzu wi<strong>ch</strong>tig, daß immer dann, wenn es an der<br />
unmittelbaren Wirkung des Hoheitsaktes fehlt, bei einer Verfassungsbes<strong>ch</strong>werde<br />
bereits die Bes<strong>ch</strong>werdebefugnis prekär wird, denn der Bes<strong>ch</strong>werdeführer muß<br />
ni<strong>ch</strong>t nur selbst und gegenwärtig, sondern au<strong>ch</strong> unmittelbar in seinem Grundre<strong>ch</strong>t<br />
betroffen sein. Zu einer materiellen Prüfung von <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong>n gelangt man bei<br />
mittelbaren Beeinträ<strong>ch</strong>tigungen also nur, wenn man bereits in der Bes<strong>ch</strong>werdebefugnis<br />
die Unmittelbarkeit als Problem erkennt und dann die Verglei<strong>ch</strong>barkeit<br />
dieses mittelbaren mit einem klassis<strong>ch</strong>en Eingriff jedenfalls für mögli<strong>ch</strong> erklärt.<br />
c) Verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tfertigung<br />
Die S<strong>ch</strong>rankensystematik des Grundgesetzes beruht auf einer Reihe einfa<strong>ch</strong>er<br />
Grundregeln. Innerhalb der verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tfertigung unters<strong>ch</strong>eidet<br />
man erstens die na<strong>ch</strong> dem Grundgesetz vorgesehene Bes<strong>ch</strong>ränkbarkeit des<br />
Grundre<strong>ch</strong>ts gemäß S<strong>ch</strong>rankenklauseln (regelmäßig: Gesetzesvorbehalte; ganz<br />
ausnahmsweise: verfassungsunmittelbare S<strong>ch</strong>ranken; dazu soglei<strong>ch</strong> (1)) oder<br />
grundre<strong>ch</strong>tsimmanenten S<strong>ch</strong>ranken (kollidierende <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> Dritter und andere<br />
Re<strong>ch</strong>tsgüter mit Verfassungsrang), zweitens die diese konkretisierenden S<strong>ch</strong>ranken<br />
(grundre<strong>ch</strong>tseins<strong>ch</strong>ränkenden Gesetze; (2)) und drittens die sogenannten<br />
S<strong>ch</strong>ranken-S<strong>ch</strong>ranken, die ihrerseits dem s<strong>ch</strong>rankenziehenden Gesetzgeber eine<br />
Grenze setzen (z.B. Verhältnismäßigkeitsprinzip, Bestimmtheitsgebot, Vertrauenss<strong>ch</strong>utzprinzip,<br />
Zitiergebot, Verbot des Einzelfallgesetzes, Wesensgehaltsgarantie;<br />
(3)). Nur selten finden sol<strong>ch</strong>e Differenzierungen in der Gliederung ihren<br />
Ausdruck, denn für die Abs<strong>ch</strong>nittsübers<strong>ch</strong>riften eines Guta<strong>ch</strong>tens ist es aussagekräftiger,<br />
wenn sie dem jeweiligen konkreten Prüfungsinhalt folgen, also z.B.<br />
»S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> der Berufsfreiheit«, »S<strong>ch</strong>rankentrias des Art. 2 I GG«, »Verhältnismäßigkeit<br />
der Abgabenordnung«.