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Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch

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2. Kapitel: Die Grundre<strong>ch</strong>tsprüfung<br />

Als strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung bezei<strong>ch</strong>net das Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t<br />

die vers<strong>ch</strong>äfte Grundre<strong>ch</strong>tskontrolle, bei der nur zwingende Gründe<br />

für die verfassungsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tfertigung genügen. Der wi<strong>ch</strong>tigste Anwendungsfall<br />

sind die Glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigung der Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter 117 (Art. 3 II, III 1 GG)<br />

und die sonstigen Differenzierungsverbote 119 (Art. 3 III GG). Der strenge Maßstab<br />

gilt aber au<strong>ch</strong> bei subjektiven Zulassungsbes<strong>ch</strong>ränkungen im Rahmen der<br />

Berufsfreiheit 98 (Art. 12 I GG); dort wird ein zwingendes Erfordernis zum S<strong>ch</strong>utz<br />

besonders wi<strong>ch</strong>tiger Gemeins<strong>ch</strong>aftsgüter gefordert. Ähnli<strong>ch</strong>keiten weist s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />

die Interpretation der Wahlre<strong>ch</strong>tsglei<strong>ch</strong>heit 120 (Art. 38 GG) als »strenge und<br />

formale Glei<strong>ch</strong>heit« auf.<br />

Die praktis<strong>ch</strong>e Konkordanz (Konrad Hesse; Zusammenwirken und Einklang<br />

im Handeln) ist ein Sonderfall der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dabei wird in<br />

Abwägung zwis<strong>ch</strong>en den kollidierenden <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong>n vers<strong>ch</strong>iedener Grundre<strong>ch</strong>tsträger<br />

na<strong>ch</strong> dem ʺs<strong>ch</strong>onendsten Ausglei<strong>ch</strong>ʺ gesu<strong>ch</strong>t. Typis<strong>ch</strong>erweise ist<br />

na<strong>ch</strong> praktis<strong>ch</strong>er Konkordanz zu fragen, wenn der Staat zum S<strong>ch</strong>utz eines<br />

Grundre<strong>ch</strong>tsträgers in die Freiheit eines anderen eingreift. Hier sind die Regeln<br />

weniger gefestigt als bei der normalen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Für eine<br />

umfassende Prüfung empfiehlt es si<strong>ch</strong>, eingangs wiederum den Zweck der beeinträ<strong>ch</strong>tigenden<br />

Maßnahme zu benennen, der in sol<strong>ch</strong>en Fällen meist in S<strong>ch</strong>utz<br />

oder Förderung der Grundre<strong>ch</strong>tsgüter Dritter besteht, dana<strong>ch</strong> kurz die Geeignetheit<br />

und Erforderli<strong>ch</strong>keit für diese Grundre<strong>ch</strong>tsförderung festzustellen, um<br />

s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> in der Angemessenheit zu fragen, ob das Gewi<strong>ch</strong>t der Förderung des<br />

einen Grundre<strong>ch</strong>ts zum Gewi<strong>ch</strong>t der Beeinträ<strong>ch</strong>tigung des anderen Grundre<strong>ch</strong>ts<br />

no<strong>ch</strong> in einem angemessenen Verhältnis steht. Für die Klarheit des Guta<strong>ch</strong>tens<br />

sollte dabei stets deutli<strong>ch</strong> bleiben, wel<strong>ch</strong>es Grundre<strong>ch</strong>t abwehrre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> geprüft<br />

wird (Prüfungsrahmen) und wel<strong>ch</strong>es Grundre<strong>ch</strong>t nur s<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> in der Abwägung<br />

auftau<strong>ch</strong>t (Prüfungsausfüllung).<br />

Formulierungste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Besonderheiten gibt es bei der Verhältnismäßigkeit<br />

innerhalb einer glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en oder s<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Prüfung. Beim<br />

Glei<strong>ch</strong>heitsre<strong>ch</strong>t wird na<strong>ch</strong> der neuen Formel 37 das Mittel der Differenzierung<br />

mit dem Zweck der Differenzierung abgewogen. In der S<strong>ch</strong>utzpfli<strong>ch</strong>tendogmatik<br />

gibt es bisher keine Einigkeit darüber, ob und wie man eine Analogie zur<br />

Abwehrre<strong>ch</strong>tsprüfung herstellen kann. Übli<strong>ch</strong>erweise spri<strong>ch</strong>t man statt von einem<br />

Übermaßverbot bei S<strong>ch</strong>utzpfli<strong>ch</strong>ten vom Untermaßverbot und statt von<br />

Eingriffen (des Staates) von Übergriffen (Privater). Bei der s<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Verhältnismäßigkeit geht es also um das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en der S<strong>ch</strong>utzanstrengung,<br />

die der Staat unternimmt (Mittel), und dem S<strong>ch</strong>utzniveau, das er effektiv<br />

dadur<strong>ch</strong> zu errei<strong>ch</strong>en vermag (Zweck). Die Einzelheiten hierzu sind na<strong>ch</strong> wie

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