Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch
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II. Verfassungsbes<strong>ch</strong>werde 43<br />
Bei Gesetzesverfassungsbes<strong>ch</strong>werden (Re<strong>ch</strong>tssatzverfassungsbes<strong>ch</strong>werden)<br />
stellt die Re<strong>ch</strong>tswegers<strong>ch</strong>öpfung eine erhebli<strong>ch</strong>e Fehlerquelle dar. Wi<strong>ch</strong>tig ist,<br />
eingangs zunä<strong>ch</strong>st ausdrückli<strong>ch</strong> festzustellen, daß ein Re<strong>ch</strong>tsweg gegen Parlamentsgesetze<br />
(bzw. Re<strong>ch</strong>tsverordnungen des Bundes) ni<strong>ch</strong>t besteht. Auf keinen<br />
Fall darf man den beliebten Fehler begehen, die Frage des Re<strong>ch</strong>tswegs offen zu<br />
lassen und eine Ausnahme im Sinne von § 90 II 2 BVerfGG anzunehmen (allgemeine<br />
Bedeutung, unabwendbarer Na<strong>ch</strong>teil), denn der ganze Absatz der Vors<strong>ch</strong>rift<br />
setzt voraus, daß überhaupt ein Re<strong>ch</strong>tsweg besteht! Vielmehr muß in sol<strong>ch</strong>en<br />
Fällen na<strong>ch</strong> ständiger Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung des Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>ts ausnahmsweise<br />
der folgende unges<strong>ch</strong>riebene Grundsatz geprüft werden:<br />
Allgemeine Subsidiarität der Verfassungsbes<strong>ch</strong>werde: Eine Verfassungsbes<strong>ch</strong>werde<br />
direkt gegen Gesetze ist nur zulässig, wenn ni<strong>ch</strong>t in zumutbarer<br />
Weise eine inzidente Prüfung im Verwaltungsgeri<strong>ch</strong>tsprozeß herbeigeführt<br />
werden kann.<br />
Dem Bes<strong>ch</strong>werdeführer bleibt nämli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ohne unmittelbaren Re<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>utz gegen<br />
Gesetze stets die Mögli<strong>ch</strong>keit, si<strong>ch</strong> dem gesetzli<strong>ch</strong>en Verbot zu widersetzen,<br />
einen Bußgeldbes<strong>ch</strong>eid in Kauf zu nehmen und dann die Verfassungswidrigkeit<br />
des Gesetzes im Prozeß gegen den Bußgeldbes<strong>ch</strong>eid zu rügen. Unter Umständen<br />
käme es dann zu einer Vorlage des einfa<strong>ch</strong>en Geri<strong>ch</strong>ts (konkrete Normenkontrolle),<br />
so daß jedenfalls das Tatsa<strong>ch</strong>enmaterial vor einer Befassung des Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>ts<br />
bereits gründli<strong>ch</strong> aufbereitet ist. Ansonsten kommt es na<strong>ch</strong> Ers<strong>ch</strong>öpfung<br />
des Re<strong>ch</strong>tswegs zur Urteilsverfassungsbes<strong>ch</strong>werde.<br />
Es ist einem Bes<strong>ch</strong>werdeführer aber ni<strong>ch</strong>t zumutbar Bußgeld oder Strafe in<br />
Kauf zu nehmen. Deshalb führt die allgemeine Subsidiarität nur selten zur Unzulässigkeit<br />
der Verfassungsbes<strong>ch</strong>werde, nämli<strong>ch</strong> dann, wenn es ausnahmsweise<br />
mögli<strong>ch</strong> ist, si<strong>ch</strong> der gesetzli<strong>ch</strong>en Pfli<strong>ch</strong>t sanktionslos zu entziehen. In jedem Fall<br />
sind im juristis<strong>ch</strong>en Guta<strong>ch</strong>ten sämtli<strong>ch</strong>e Überlegungen (kein Re<strong>ch</strong>tsweg, allgemeine<br />
Subsidiarität, Mögli<strong>ch</strong>keit inzidenter Überprüfung, fehlende Zumutbarkeit)<br />
explizit na<strong>ch</strong>zuzei<strong>ch</strong>nen.<br />
Bei Urteilsverfassungsbes<strong>ch</strong>werden ergibt si<strong>ch</strong> das Sonderproblem, daß das<br />
Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t keine Superrevisionsinstanz ist, d.h. grundsätzli<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t befugt, re<strong>ch</strong>tskräftige Urteile von Geri<strong>ch</strong>ten inhaltli<strong>ch</strong> wieder in Frage zu<br />
stellen. Die Spra<strong>ch</strong>regelung ist hier, daß das Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Ents<strong>ch</strong>eidungen nur auf spezifis<strong>ch</strong>e Verletzungen von <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong>n<br />
untersu<strong>ch</strong>t, insbesondere dahingehend, ob das Geri<strong>ch</strong>t bei Auslegung und Anwendung<br />
die wertsetzende Bedeutung der <strong>Grundre<strong>ch</strong>te</strong> verkannt hat. Während das<br />
Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t diese Formel als willkommenen Filter einsetzt, si<strong>ch</strong><br />
aber im Ergebnis uneinges<strong>ch</strong>ränkt offen hält, jede Einzelents<strong>ch</strong>eidung zu über-