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Examenskurs Grundrechte - servat.unibe.ch

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IV. Kommunikation und Petition 89<br />

Sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ützt die Vereinigungsfreiheit die Gründung, Auflösung, Existenz,<br />

Funktionsfähigkeit und Selbstbestimmung (Namensführung, Mitgliederauss<strong>ch</strong>luß,<br />

Werbung) – allerdings nur hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> spezifis<strong>ch</strong>er Freiheitsausübung:<br />

was au<strong>ch</strong> individualre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ützt ist, fällt ni<strong>ch</strong>t unter Art. 9 I GG. Gegenüber<br />

den spezielleren Gewährleistungen der Koalitionsfreiheit 106 (Art. 9 III GG),<br />

der Parteienfreiheit (Art. 21 GG) und der religiösen Vereinigung 95 (Art. 4 I, II; 140<br />

GG i.V.m. Art. 137 WRV) tritt die allgemeine Vereinigungsfreiheit zurück.<br />

Als negative Vereinigungsfreiheit 50 s<strong>ch</strong>ützt Art. 9 I GG au<strong>ch</strong> gegenüber<br />

Zwangszusammens<strong>ch</strong>lüssen in privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Vereinigungen. Damit ist die<br />

praktis<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tige Kontrolle von gesetzli<strong>ch</strong>en Zwangsmitglieds<strong>ch</strong>aften in öffentli<strong>ch</strong>-re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Verbänden, etwa in berufständis<strong>ch</strong>en Kammern (Industrie- und<br />

Handelskammer, Ärztekammer, Re<strong>ch</strong>tsanwaltskammer), na<strong>ch</strong> herrs<strong>ch</strong>ender Lehre<br />

zur allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) zu re<strong>ch</strong>nen; ein Teil der Literatur<br />

bejaht au<strong>ch</strong> hier inzwis<strong>ch</strong>en den S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong> der (negativen) Vereinigungsfreiheit.<br />

Das Bundesverfassungsgeri<strong>ch</strong>t hat demgegenüber jüngst wieder<br />

betont, daß Art. 9 I GG na<strong>ch</strong> historis<strong>ch</strong>er Auslegung nur Zusammens<strong>ch</strong>lüsse auf<br />

der Basis von Freiwilligkeit, also privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e, s<strong>ch</strong>ützen will (BVerfG, 1 BvR<br />

1806/98 – IHK-Mitglieds<strong>ch</strong>aft).<br />

Aus dem S<strong>ch</strong>utzpfli<strong>ch</strong>tengehalt der Vereinsfreiheit folgt, daß der Staat ein<br />

Mindestmaß an demokratis<strong>ch</strong>er Binnenstruktur garantieren muß, das wenigstens<br />

die willkürli<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>neidung von Mitglieds<strong>ch</strong>aftsre<strong>ch</strong>ten verhindert.<br />

Eine verfassungsunmittelbare S<strong>ch</strong>ranke 32 und keine Qualifizierung des<br />

S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong>s enthält Absatz 2 mit dem Vereinigungsverbot. Umstritten ist, ob<br />

bereits diese Norm oder erst die Feststellung der na<strong>ch</strong> den Landesgesetzen dafür<br />

zuständigen staatli<strong>ch</strong>en Stelle die Verbotswirkung konstituiert. Jedenfalls darf<br />

ein Verein s<strong>ch</strong>on aus Gründen des re<strong>ch</strong>tsstaatli<strong>ch</strong>en Vertrauenss<strong>ch</strong>utzes ni<strong>ch</strong>t<br />

unter Berufung auf Art. 9 II GG aufgelöst werden, bevor die gesetzli<strong>ch</strong> vorgesehene<br />

Verbotsverfügung unanfe<strong>ch</strong>tbar geworden ist. Dies wiederum setzt voraus,<br />

daß das Verbot zur Förderung des ges<strong>ch</strong>ützten Re<strong>ch</strong>tsguts (Strafgesetze, verfassungsmäßige<br />

Ordnung, Völkerverständigung) verhältnismäßig ist. Sonstige Bes<strong>ch</strong>ränkungen<br />

unterhalb des Verbots erfolgen als gesetzli<strong>ch</strong>e Konkretisierung der<br />

immanenten S<strong>ch</strong>ranken 32 .<br />

Typis<strong>ch</strong>e Themen für Prüfungsfälle: Pfli<strong>ch</strong>tmitglieds<strong>ch</strong>aft, Vereinsverbot.

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