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Der Burgbote 2013 (Jahrgang 93)

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galt er als faul – was aber nur die eine Seite<br />

seines Wesens war. Denn auf der anderen<br />

Seite war er vielseitig interessiert und besaß<br />

den Willen und die erstaunliche Fähigkeit,<br />

sich in Dinge, die ihn interessierten, selbst<br />

umfassend und tief einzuarbeiten. Er hatte<br />

also offenbar eine bewundernswerte Auffassungsgabe,<br />

was der Verfolgung geregelten<br />

akademischen Unterrichts ja des Öfteren<br />

eher im Wege steht als demselben förderlich<br />

zu sein. Wenn er hingegen etwas nicht<br />

wollte, dann tat er es – wenn es sich durchsetzen<br />

ließ – eben auch nicht.<br />

Den Versuch seiner Familie, ihm eine<br />

gründliche Klavierausbildung bei einem der<br />

besten Lehrer seiner Zeit mit auf den Weg<br />

zu geben, nachdem sie akzeptiert hatte, dass<br />

der Spätberufene Komponist werden wollte,<br />

lehnte er mit der Begründung ab, er wolle<br />

nicht »Musik spielen« sondern »Musik<br />

komponieren«. Seine Fähigkeiten am Klavier<br />

blieben entsprechend begrenzt; hätte er<br />

eine klare Vorstellung gehabt, wie sehr ihn<br />

diese Entscheidung später beim Komponieren<br />

beeinträchtigten würde, sie wäre wohl<br />

anders ausgefallen.<br />

Wagners offizielle Ausbildung in Harmonielehre<br />

und Komposition, die er in den<br />

Jahren 1829 bis 1832 absolvierte, wird man<br />

kaum als »Studium« bezeichnen können.<br />

Aber begleitet von autodidaktischen Studien,<br />

die vor allem im intensiven Abschreiben<br />

von Kompositionen, der Anfertigung<br />

von Klavierauszügen und der zum Teil<br />

heimlichen Anfertigung eigener Kompositionen<br />

bestanden, reichten diese drei Jahre<br />

aus, ein Fundament für seine weitere Laufbahn<br />

zu legen.<br />

Im Jahre 1833 drohte Wagner in Sachsen<br />

die Einberufung zum Militär, wozu er offenbar<br />

keine Neigung verspürte. Daher<br />

nahm er nach Abschluss seiner Lehrzeit mit<br />

20 Jahren seine erste Stelle als »Choreinstudierer«<br />

am Theater in Würzburg an, wo bereits<br />

sein Bruder als Sänger tätig war. Voss<br />

erwähnt in seiner schon genannten Biographie,<br />

Wagner habe in Würzburg für seinen<br />

Bruder Teile einer Opernarie neu komponiert,<br />

»wobei er nicht nur den sängerischen<br />

Fähigkeiten seines Bruders erfolgreich<br />

Rechnung trug, sondern auch seine Fähigkeit,<br />

sich einen fremden Stil anzuverwandeln,<br />

unter Beweis stellte.« Die Vorstellung,<br />

dass da jemand an fremden Werken »herumkomponiert«,<br />

erscheint uns aus heutiger<br />

Sicht befremdlich. Dass man eine Oper<br />

nicht in voller Länge auf die Bühne bringt<br />

und deshalb hier und da Streichungen vornimmt;<br />

nun gut, solche Eingriffe in das<br />

Werk eines Komponisten sind oft unvermeidbar,<br />

weil anders eine Aufführung nicht<br />

zu bewerkstelligen ist – aber einem Werk<br />

etwas »hinzuzusetzen« überschreitet aus<br />

unserer Sicht die Grenzen des Zulässigen.<br />

In Zeiten, in denen ein Komponist für die<br />

Aufführungen seiner Werke keine Tantiemen<br />

erhielt, ging man jedoch mit Fragen<br />

des »Urheberrechts« eher freihändig um:<br />

»Was nicht passend ist, wird passend gemacht!«<br />

Heute Werbespruch für eine Baumarktkette,<br />

damals Alltag des Musiktheaters!<br />

Ein Beispiel für diese Fähigkeit Wagners,<br />

dem Werk eines anderen Komponisten<br />

Neues mit sicherer Hand hinzuzufügen,<br />

werden wir in unserem Jahreskonzert präsentieren:<br />

Die Arie »Norma il predisse, o<br />

Druidi« für Bass, Männerchor und Orchester,<br />

die Wagner 1839 für eine Aufführung<br />

der Oper »Norma« von Vincenzo Bellini<br />

(1801 – 1835) anfertigte. Die Bemerkung<br />

unseres Dirigenten Bernhard Steiner zu diesem<br />

Werk während einer der letzten Proben<br />

haben es uns bestätigt: Sozusagen ein »echter«<br />

Bellini – aus der Hand Wagners. Das<br />

kurze Stück ist aber sicher nicht nur Beweis<br />

seiner »handwerklichen« Fähigkeiten als<br />

Komponist, sondern kann wohl auch als<br />

Ausdruck der besonderen Bewunderung<br />

Wagners für Bellinis Musik gelesen werden;<br />

KMGV Jahreskonzert <strong>2013</strong><br />

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