Das stille Pfandrecht der Niederlande - GWDG

4. Teil – Rechtsvergleich
trägliche Übersicherungen bei Singularsicherheiten durch Tilgung der gesicherten
Forderung nicht verhindern. Es stellt sich daher die Frage, ob auch das stille Pfandrecht
der Niederlande die Gefahr der Übersicherung nach sich zieht und ein Tätigwerden
der Rechtsprechung erfordert.
In den Niederlanden hat der stille Pfandgeber in zweifacher Hinsicht die Gelegenheit,
einen bestehenden Wertüberschuss der Pfandsache im Vergleich zur gesicherten
Forderung zu nutzen. Zum einen hat er die Möglichkeit, das Gut weiter zu verpfänden
und den Überschuss so für weitere Besicherungen zu nutzen 1035 . Dieses
Recht ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich jedoch aus den Vorschriften
der Art. 3-237 II, 3-248 III, 3-253 NBW, die alle von einer weiteren Belastung des
Sicherungsgutes sprechen. Des Weiteren haben die übrigen Gläubiger die Möglichkeit,
in das Gut zu vollstrecken mit der Folge, dass sie gem. Art. 3-
253 I 2 NBW i.V.m. 490b NRv zumindest anteilig ihres Ranges befriedigt werden.
Dabei kann grundsätzlich auch ein nachrangiger Sicherungsnehmer – auch ein
ungesicherter Gläubiger – die Vollstreckung einleiten 1036 , entnimmt den seinem
Rang entsprechenden Betrag und schüttet den Rest an die übrigen Gläubiger gemäß
deren Übereinkunft oder an einen vorher bestimmten Bewahrer aus 1037 .
Auch wenn der Wert des Pfandgutes den der zu sichernden Forderung übersteigt,
wird der Schuldner im niederländischen Recht nicht gefährdet. Er kann den Wertüberschuss
zweifach nutzen – die Gefahr einer Übersicherung besteht folglich
nicht. Damit ist auch kein wertendes Eingreifen der Rechtsprechung von Nöten.
Das stille Pfandrecht der Niederlande bietet damit eine klare und feststehende Regelung,
die für das deutsche Problem der Übersicherung durchaus eine Lösung
anbietet.
b. Zwangsvollstreckung
Weiterhin konnten im deutschen Recht vier mehr oder weniger problematische
Fallgruppen im Zwangsvollstreckungsrecht unterschieden werden, bei denen die
deutsche Rechtsprechung dazu gezwungen war, mittels wertendem Tätigwerden
die Zweck-Form-Divergenz der Sicherungsübereignung auszugleichen. Dies gelang
jedoch nur partiell, was die vielen abweichenden Meinungen deutlich werden
lassen. Im Folgenden soll daher untersucht werden, wie diese Fallgruppen sich mit
dem stillen Pfandrecht gestalten – ist auch hier ein wertendes Eingreifen der Rechtsprechung
nötig oder kann man auf eine klare und feststehende Regelung zurückgreifen?
aa) Gläubiger des Sicherungsgebers vollstrecken
Vollstrecken die Gläubiger des Sicherungsgebers in das bei ihm befindliche Gut,
so stellte sich im deutschen Recht die Frage, welche Reaktionsrechte dem Siche-
1035 Siehe Seite 201.
1036 vgl. Art. 3-248 III NBW; siehe Seite 208.
1037 vgl. Art. 490b NRv.
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