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Ivan Dobnik - Vilenica

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226 · Angelika Reitzer<br />

schmerzt ein bisschen. Ihm passt es ausgezeichnet. Nur wenn er darüber<br />

redet, was er gut kann, dann ist er ernst. Wenn er sicher weiß, was sein<br />

Gegenüber jetzt will, dass er jetzt gleich das Richtige tut, dann ist sein<br />

Blick, nein, dann ist sein Schauen wahrhaftig. Das ist er. Er steht auf dem<br />

kleinen Balkon ihres Zimmers und referiert den vergangenen Vormittag,<br />

tut jetzt heiter, ganz ungezwungen; er selber ist schon zweimal zum Bahnhof<br />

und wieder zurück gefahren, sie ist die Dritte, die er abgeholt hat.<br />

Rücksicht auf ihn hat nie jemand genommen, das kommt niemandem in<br />

den Sinn. Auf Familienfotos ist oft nur er verschwommen zu sehen, oder<br />

er wird von jemandem verdeckt, immer steht er hinten, bei keiner Feier<br />

fehlt er, aber zu erkennen ist er fast nie. Erst nach mehrmaligem Durchzählen<br />

sagt einer, der Hannes, wo ist denn der Hannes? Der ist doch auch<br />

dabei. Der Hannes ist extra mit einem größeren Wagen gekommen, spielt<br />

den Shuttlebus für die Omis. Oder er hilft beim Um- und Aufstellen der<br />

Möbel. Organisiert die Kinderbetten. Baut das Volleyballnetz auf, und ist<br />

nicht er für eine korrekte Spielfeldbegrenzung zuständig? Eben. Holt den<br />

kleinen Cousin vom Flughafen ab. Hannes ist immer dabei. Unsichtbar<br />

und vielleicht überdeutlich. Jetzt ist er auch schon wieder weg, die anderen<br />

sind aus dem Wald herausgekommen, und er ist in ihm verschwunden<br />

vielleicht. Als wollte er den verpassten Spaziergang nachholen. Er unterhält<br />

sich kurz mit ihrem Vater, wahrscheinlich um sich ein paar Anweisungen<br />

zu holen, und taucht erst wieder auf, als er Clarissa zum Zug bringt.<br />

Eine Zeitlang steht sie auf dem kleinen Balkon, in dem Zimmer riecht es<br />

nach Weichspüler oder Putzmitteln, vielleicht nach beidem, nicht unangenehm.<br />

Auf der umgeschlagenen Überdecke liegt die Mappe, es sind keine<br />

Seminarunterlagen, und die Leute, auf die sie gleich treffen wird, kennt sie<br />

seit ihrer Kindheit. Für die meisten von ihnen ist sie nicht Assistentin des<br />

Geschäftsführers. Sie kann aber auch nicht mehr das Mädchen für sie sein,<br />

das eine viel versprechende Zukunft vor sich hat. Clarissa muss lachen.<br />

Das ist es doch, was ihr von uns wollt: Demonstration von Zukunft; und<br />

ja, das Lachen ist kurz und tonlos, und fast verschluckt sie sich daran. Dies<br />

soll, so ihre Mutter am Telefon, das letzte große Fest sein, und danach wollen<br />

sie sich zurückziehen aus ihren Verpflichtungen und aus ihrer Familie.

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