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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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folgendes Gespräch: »Wie kommt es eigentlich, daß die fremden Damen heute abend<br />

so ganz anders gekleidet sind als sonst? Sieh nur hin, oberhalb der Brust quillt das<br />

Fleisch ringsherum bis zum Rücken heraus. Keinen Faden haben sie an, und von den<br />

Ärmeln sind auch nur noch kleine Reste vorhanden. Dabei ist der Rock so lang, daß er<br />

über einen Fuß auf dem Boden nachschleppt. Was hat das eigentlich für einen Sinn,<br />

daß sie am Oberkörper so nackt und am Unterkörper so verhüllt sind ?« Der Nachbar,<br />

der früher im Ausland gewesen war, antwortete darauf: »Das tragen sie als Festkleid.<br />

Nur die höheren Stände sind berechtigt, sich so anzuziehen.« »Ach so«, war die<br />

Antwort. Dann wandte sich das Gespräch anderen Dingen zu.<br />

Oder es traf sich einmal, daß gerade einige Damen aus Schanghai in einem befreundeten<br />

Hause zu Gast waren. Sie wollten die Gelegenheit, die chinesischen Würdenträger<br />

aus der Nähe zu sehen, nicht vorübergehen lassen, und so erklärten sie sich denn<br />

bereit, in der sonst nur aus Herren bestehenden Gesellschaft ein paar Violinstücke mit<br />

Klavierbegleitung vorzutragen. Sie spielten recht gut, und jedermann klatschte Beifall.<br />

Zum Schluß fragte dann einer der chinesischen Gäste: »Wieviel bezahlt ihr eigentlich<br />

solchen Mädchen für den Abend?«<br />

Später als die Annäherung zu vertrauteren Beziehungen geführt hatte, wurden auch<br />

manche diplomatischen Kämpfe mit dem Sektglas in der Hand ausgefochten. Ein höherer<br />

chinesischer Beamter war berühmt durch seine Trinkfestigkeit und gefürchtet wegen<br />

der Rücksichtslosigkeit, mit der er durch dauerndes Zutrinken ein weniger leistungsfähiges<br />

Opfer erledigte. Ein japanischer Professor war ihm aber gewachsen. Er trank mit<br />

freundlichem Lächeln immer mit und ließ sich immer wieder - Sodawasser nachgießen.<br />

Schließlich nahm der alte Herr zwei Gläser zugleich und trank weiter. Das ging dann<br />

doch auch über seine Kraft. Bedenklich schwankend verließ er das Eßzimmer und sank<br />

in einen Polsterstuhl. Mit Spannung und Sorgen erwartete man eine Katastrophe. Allein<br />

das gibt es in China nicht. Im entscheidenden Augenblick kam ein Sekretär mit einem<br />

Telegramm und meldete, daß soeben die Tante Seiner Exzellenz verschieden sei.<br />

Schluchzend wurde darauf der alte Herr von zwei <strong>Die</strong>nern abgeführt, denn es ist Erfordernis<br />

der Pietät, bei einem derartigen Schlag zusammenzubrechen und nur auf <strong>Die</strong>ner<br />

gestützt sich zu bewegen.<br />

Großes Erstaunen erregte bei den chinesischen Gästen, daß bei öffentlichen Zweckessen<br />

ein etwas sonderlicher Bürger Reden zu halten pflegte, deren Inhalt nicht immer im<br />

richtigen Verhältnis zu der aufgewandten Begeisterung stand. Sie wußten nicht, daß er<br />

in Tsingtau zu den unvermeidlichen Originalen gehörte, dauernd mit den Gerichten in<br />

Konflikt war und mit Methode seine exzentrische Gemütsart praktisch zu verwerten<br />

wußte. Geschadet hat er übrigens dem deutschen Ansehen nicht sehr, obwohl nicht<br />

alles, was er oft auf einem Tisch stehend - mit großer Geste unter die Hörer<br />

schleuderte, für die Öffentlichkeit geeignet war. Im Osten werden solche Menschen mit<br />

Rücksicht betrachtet. So gehörte denn der Bürger zum dauernden Inventar der Kolonie.<br />

Er hat auch die Eroberung Tsingtaus überstanden. Spät erst wurde er von den<br />

japanischen Behörden ausgewiesen, weil er den japanischen Gouverneur von Tsingtau<br />

beim Kaiser von Japan verklagen wollte. Er wandte sich dann aufs religiöse Gebiet und<br />

wollte eine Vereinigung der verschiedenen Weltreligionen gründen.<br />

Zu den merkwürdigen Erscheinungen der Kolonie gehörte ein aus der Mongolei importiertes<br />

Kamel, das als ganz kleines Füllen der Messe einer Truppenabteilung geschenkt<br />

worden war und dort lange Zeit bei Tisch herumgereicht wurde. Später wurde es zum<br />

Abschied von heimkehrenden Truppentransporten aufgezäumt, wobei es sich nach Art<br />

der Kamele ungebührlich benahm, bis es endlich groß und wild wurde und einer Dame,<br />

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