Die Seele Chinas - Chinaseiten
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etwas Verkrampftes, und es hat dabei einen sehr schweren, am Mark des Lebens zehrenden<br />
Schaden erlitten.<br />
China blieb vor diesem Schicksal bewahrt. Gerade noch in elfter Stunde, bevor es zum<br />
letzten, furchtbaren Schicksal geworden war, sich mit Leib und <strong>Seele</strong> an die mechanische<br />
Zivilisation zu verkaufen, ereignete sich das schreckliche Schauspiel des Zusammenbruchs<br />
dieser Zivilisation. <strong>Die</strong> europäische Kultur brach nicht zusammen wie etwa<br />
frühere Kulturen untergegangen waren durch allmähliche Versandung, Erstarrung, Vergröberung.<br />
Im Gegenteil: das Mechanische entwickelte sich zu immer subtilerer Feinheit<br />
und raffinierterer Wirksamkeit. - Nie sind so genial ausgedachte Zerstörungsmaschinen<br />
erfunden worden wie die, mit denen Europa im Weltkrieg sich selbst zerfleischte. - Was<br />
zusammenbrach war der tragende seelische Untergrund. Der Mensch Europas hatte die<br />
Herrschaft über die Maschine aus der Hand verloren und war ihr zum Opfer gefallen.<br />
<strong>Die</strong> Technik hatte sich übersteigert. <strong>Die</strong> Menschen verarmten in primitiven <strong>Seele</strong>nstimmungen<br />
fruchtlosen Hasses. So blieben die Kulturmittel erhalten - die Technik ist auch<br />
heute noch auf voller Höhe -, während die Kulturseele eine tödliche Wunde bekam.<br />
Nichts hat China so sehr zur Selbstbesinnung gebracht auf seinem Gang nach dem<br />
Abgrund wie der Weltkrieg. Wo war jetzt die vielgerühmte Macht? Wozu diente der<br />
Reichtum und die Blüte der Technik? Und vor allem: was war aus dem Christentum<br />
geworden, das von den Missionaren doch immer als <strong>Seele</strong> dieser Kultur gerühmt worden<br />
war? - Ungefähr gleichzeitig mit diesem Erwachen, das durch die Unwahrhaftigkeit,<br />
mit der China in Versailles um den Lohn seiner Bundesgenossenschaft gebracht worden<br />
war, noch besonders unsanft sich gestaltete, machten sich die Wirkungen der bolschewistischen<br />
Revolution geltend. Hier zeigte sich besonders deutlich, wie morsch die<br />
seelischen Grundlagen der europäischen bürgerlichen Kultur letzten Endes gewesen<br />
waren, da sie vor dem Terror einer verhältnismäßig kleinen Anzahl entschlossener<br />
Männer so vollständig zerbrachen. Das gab zu denken.<br />
Rußland gab dann mit etwas lauter Geste seine Bereitwilligkeit zur Anerkennung <strong>Chinas</strong><br />
als gleichberechtigter Macht zu erkennen. Deutschland hatte in aller Stille diese Anerkennung<br />
schon vorher vollzogen, und die ruhig überlegene Politik, die von deutscher<br />
Seite in Peking getrieben wird, zieht zum beiderseitigen Vorteil die Konsequenzen aus<br />
der neuen Stellung. Was die Politik Rußlands anlangt, so zeigt sie sich China gegenüber<br />
von ihren Sowjetprinzipien aus, d. h. sie erkennt die Berechtigung <strong>Chinas</strong>, seine<br />
Angelegenheiten selbst zu ordnen, an und unterstützt China moralisch in seinem Kampf<br />
gegen die Brutalität des Imperialismus des Westens. China hat die dargebotene Hand<br />
Rußlands ohne große Begeisterung angenommen. <strong>Die</strong> ungeduldige Art, mit der Rußland,<br />
mit dem Säbel in der Faust, seine Vergünstigungen anbot, hat die Verhandlungen<br />
eher verzögert als beschleunigt. Aber heute wird der Rückhalt, den man an Rußland hat,<br />
in China dankbar empfunden.<br />
Was <strong>Chinas</strong> Stellung zum Westen anlangt, so ist es auf dem Wege der Rezeption der<br />
europäischen mechanischen Kultur schon zu weit vorgeschritten, als daß ein Zurück<br />
noch möglich wäre. Man will die Vorteile der Maschinenindustrie. Damit muß man aber<br />
auch den Kapitalismus und die Proletarisierung und Entwurzelung der Fabrikarbeiterbevölkerung<br />
bejahen. Mehr noch, der kommende Verkehr, die Ausnützung der Bodenschätze,<br />
die Industrialisierung weiter Gebiete wird ihre Konsequenzen für die Struktur<br />
der chinesischen Gesellschaft nicht vermeiden lassen. Der Organismus des konfuzianischen<br />
Familienstaates löst sich mit Notwendigkeit auf. Atomisierung der Gesellschaft<br />
wird eintreten.<br />
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