Die Seele Chinas - Chinaseiten
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Der Wein, den man trinkt, ist in der Regel aus Reis gebraut und ist in Farbe und<br />
Geschmack dem Sherry nicht unähnlich, doch weniger alkoholhaltig. Jeder Chinese<br />
weiß, wieviel er davon vertragen kann, und richtet sich danach ein. Der beste Wein<br />
kommt aus dem Bezirk Schaohsingfu in der Nähe von Hangtschou. Aber die feinsten<br />
und ältesten Sorten bekommt man selten an Ort und Stelle, da sie meist nach der<br />
Hauptstadt gesandt werden.<br />
Unter den kalten und warmen Vorspeisen befinden sich Bambussprossen und Föhrenblüteneier,<br />
sogenannte schwarze Eier, die in Europa immer noch als tausendjährige<br />
Eier verschrien sind, obwohl sie ihre Farbe und ihren etwas käseähnlichen Geschmack<br />
nur der besonderen Zubereitung in Kalk, Spreu, Salz und Lehm verdanken, von denen<br />
etwas durch die Schalen dringt und die schwefelhaltigen Eiweißstoffe färbt. Man könnte<br />
diese Eier am ehesten mit Soleiern vergleichen. Als Hauptspeisen werden nun mehrere<br />
Delikatessen in Schüsseln serviert. Bei feinen Diners gibt es zuerst indische Schwalbennester.<br />
<strong>Die</strong>se Nester stammen von einer Gattung Seeschwalben im Indischen<br />
Ozean, die zu ihrem Bau eine besondere Art von Meeralgen benützen. Sie werden in<br />
klarer Hühnerbrühe gekocht und haben einen überaus zarten Geschmack wie irgendeine<br />
feine Pilzart. Sie sind ein sehr kostbares Gericht, das daher häufig auch durch<br />
Agar-Agar verfälscht vorkommt. Europäer bringen diesem Gericht, das wirklich einen<br />
künstlerischen Gaumen voraussetzt, meist mehr Verwunderung als Verständnis entgegen.<br />
Ein früherer chinesischer Gesandter gab einmal in Europa bei einem Diner eine<br />
Schwalbennestersuppe. Eine Dame, die neben ihm saß, wollte ein solches Ding einmal<br />
sehen. Zuvorkommend ließ er ein Nest aus der Küche holen. Sie amüsierte sich darüber<br />
und wollte es zum Andenken mitnehmen. Nun erwachte auch das Interesse der anderen<br />
Gäste, und die ganze Gesellschaft nahm sich solche Andenken mit, ohne zu ahnen, daß<br />
sie ihren Gastgeber damit um viele Hundert Mark schädigte. Nach den<br />
Schwalbennestern kommen die Haifischflossen. <strong>Die</strong>se werden mit Hühner- und Entenbrühe<br />
einen ganzen Tag lang gekocht, bis sich die Flossenstrahlen gallertartig erweichen<br />
und einen ungemein kräftigen und doch zarten Geschmack bekommen. Namentlich<br />
mit Sojatunke zusammen schmecken sie gut. Ein richtiges chinesisches Gastmahl<br />
hat dreißig bis vierzig Gänge. Man kostet von jedem nur ein paar Bissen, weil man sonst<br />
bald leistungsunfähig würde.<br />
Über dem Essen wird auch das Trinken nicht vergessen. Trinkspiele werden gemacht,<br />
teils alte, wie das bekannte Fingerspiel, teils neue, die oft einen humoristischen Anstrich<br />
haben wie Mann, Frau und Nebenfrau. Daumen ist Gatte, Zeigefinger Gattin, kleiner<br />
Finger Nebenfrau. Der Gatte siegt über die Gattin, die Gattin über die Nebenfrau und die<br />
Nebenfrau über den Gatten. Oder es wird eine Blume herumgereicht, während ein<br />
<strong>Die</strong>ner die Trommel schlägt. Wer die Blume in der Hand hat, wenn die Trommel aufhört,<br />
muß trinken. So gibt es noch manche mehr oder weniger geistvolle Spiele, die alle darauf<br />
hinauslaufen, daß der Besiegte zum Trinken verurteilt wird.<br />
Unterdessen erscheint Schüssel um Schüssel. Nach einer Serie kommt jeweils ein<br />
süßes Gericht, wie in Zucker gekochte Lotoskerne oder mit Zuckerfäden umsponnene<br />
Süßkartoffeln. Man wäscht Löffel oder Stäbchen vor und nach dem süßen Gang. Immer<br />
nach dem süßen Gang kommt eine neue Serie. Wenn die Gäste am Ende ihrer Kraft<br />
angelangt zu sein schienen, dann macht der Wirt den Vorschlag, zum »Essen« überzugehen.<br />
Denn das alles waren eigentlich nur etwas überentwickelte Vorspeisen. Das<br />
eigentliche Essen besteht aus Reis oder Hirse mit einigen Fleisch- und Gemüseschüsseln.<br />
Hat man den Reis gegessen, so steht man auf, spült den Mund und trinkt zu einer<br />
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