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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Gegen Abend kommen dem Reitenden die Zinnen der Stadtmauer von Kiautschou zu<br />

Gesicht. Das Schicksal dieser Stadt ist im Lauf der Geschichte sehr wechselvoll gewesen.<br />

Sie liegt im Süden der Ebene, die als breites nordsüdliches Band die Halbinsel<br />

Schantung mit dem Festland verbindet. <strong>Die</strong> Halbinsel ist durchweg gebirgig. Der Laoschan,<br />

der bis 1100 Meter hoch direkt aus dem Meer aufsteigt, und der Schongschan,<br />

sein Gegenbild im Norden, bilden die Grenzposten dieser Halbinsel. Sie lag in den<br />

ältesten Zeiten außerhalb der Sphäre der chinesischen Kultur. <strong>Die</strong> Gebirge galten als<br />

geheimnisvoller Aufenthalt von Zauberern und Feen. Gar mancher Kaiser, der die Pille<br />

der Unsterblichkeit suchte, hat in diese Gegenden Wallfahrten gemacht. Das Ponglaigebirge<br />

im Norden, wo man den »Seemarkt« an manchen Tagen aus den Dünsten des<br />

Meeres aufsteigen sieht, galt als Versammlungsort der Unsterblichen, und von hier aus<br />

sandte einst der mächtige Ts'in Schï Huang Ti jene Expedition von Hunderten von Knaben<br />

und Mädchen aus, die die Insel der Seligen suchen sollten. - <strong>Die</strong> Halbinsel bietet<br />

der Seefahrt manche Gefahren. <strong>Die</strong> Felsen des Schantungvorgebirges haben, wenn ein<br />

Taifun wütet, gar manchem Schiff schon Verderben gebracht - auch das deutsche<br />

Kanonenboot »Iltis« ist dort der Gewalt des Sturmes unterlegen. Deshalb wurde unter<br />

der Mongolenzeit ein Kanal angelegt, der sogenannte Kiaulai-Kanal, der von der Kiautschoubucht<br />

aus nach Norden ging und bei der Kreisstadt von Laitschou in den Golf von<br />

Tschïli mündete. <strong>Die</strong>ser Kanal kürzte nicht nur den Weg ab für die Schiffe, die von<br />

Süden her nach der nördlichen Hauptstadt wollten, sondern ersparte ihnen auch die<br />

Gefahren einer stürmischen Fahrt um das Schantungvorgebirge herum. Kiautschou lag<br />

damals unmittelbar an der Bucht und war eine blühende Hafenstadt. <strong>Die</strong> Dschunken liefen<br />

aus und ein, und die Waren wurden in der Stadt gestapelt. In der Nähe des Hafens<br />

wurde der Tempel der Himmelskönigin errichtet, die den Schiffern erscheint, wenn der<br />

Sturm das Meer durchwühlt. Wenn alles voll dunkler Wolken ist, wenn Blitz und Donner,<br />

Sturm und Wassermassen, Wogen und Gischt das Schiff zu zertrümmern drohen, dann<br />

flehen die Schiffer in höchster Not zur Himmelskönigin. <strong>Die</strong> hängt dann ihre Lampe heraus<br />

und naht auf den Wellen den Bedrängten und stillt den Sturm. Gar manches gerettete<br />

Schiff hat aus Dankbarkeit im Tempel der Göttin eine kleine hölzerne Dschunke aufgehängt.<br />

Noch immer steht dieser Tempel vor den Mauern der Stadt im Südbezirk. Aber<br />

das Meer ist weit zurückgewichen. Kiautschou ist eine Binnenstadt geworden, die stundenweit<br />

von der Bucht durch eine ebene Sandstrecke getrennt ist. Der Kanal nach Norden<br />

ist zerfallen. <strong>Die</strong> größeren Dschunken können nicht viel über die Mitte der Bucht<br />

vordringen, dann müssen sie vor Anker gehen und auf flachen Sampans ihre Waren<br />

löschen. Am öden Strand bei einer einsamen Pagode auf einem Hügel liegt der Hafenort<br />

von Kiautschou, Taputur, der den spärlichen Handel vermittelt, der noch über die Kiautschoubucht<br />

geleitet wird. Seit am Eingang der Bucht der Tsingtauer Hafen gebaut ist,<br />

zog sich der Hauptteil des Handels dorthin.<br />

In der Stadt Kiautschou, wie in allen großen Orten, finden noch regelmäßige Märkte<br />

statt, zu denen die Bevölkerung von allen Himmelsgegenden her zusammenströmt.<br />

Lange vor Tagesgrauen brechen die Leute mit ihren Eseln oder Schubkarren von Hause<br />

auf mit ihren Waren oder Feldfrüchten, die sie auf dem Markt verkaufen, um dagegen<br />

die notwendigen Geräte und Handwerkszeuge einzukaufen. <strong>Die</strong>se meist in Perioden<br />

von fünf Tagen abgehaltenen Märkte dienen auf dem flachen Land fast allein dem<br />

Warenverkehr, soweit nicht Hausierer von Ort zu Ort gehen und ihre Dinge feilbieten.<br />

Der Markt ist zudem die beste Gelegenheit, Neuigkeiten auszutauschen. Da werden oft<br />

sehr abenteuerliche Gerüchte als Nachrichten zum besten gegeben. Wenn wie eine<br />

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