Die Seele Chinas - Chinaseiten
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gegeben habe, die in der Stille sich mit Büchsenmilch versehen haben, wie das in der<br />
Weissagung als Ratschlag gegen den Wassermangel angegeben war. Schließlich nahm<br />
die Sache einen solchen Umfang an, daß das Einschreiten der Polizei nötig wurde. Ein<br />
aufklärender Erlaß wurde verbreitet und ebenso eine Abhandlung des Observatoriums.<br />
Am meisten aber trug zur Beruhigung der Gemüter der Umstand bei, daß der<br />
verhängnisvolle Tag vorüberging, ohne daß sich etwas Außerordentliches zeigte. Der<br />
Tag begann zwar trüb und düster, aber das Wetter klärte sich auf, und am Abend<br />
erstrahlte der Vollmond im schönsten Glanz, von einem regenbogenfarbigen Hof<br />
umgeben, so daß das Mittherbstfest zu seinem vollen Rechte kam.<br />
Fragen wir, wie solche Weissagungen zustande kommen, so bekommen wir den besten<br />
Eindruck von der Sache, wenn wir uns das Tun und Treiben in einem solchen Religionsbund<br />
näher ansehen. Ich wähle zu diesem Zweck die Gesellschaft Tao Yüan (Akademie<br />
des Weltgesetzes), in der die fünf Religionen vereinigt sind. Merkwürdig ist übrigens,<br />
daß als Vertreter der christlichen Religion der Apostel Johannes verehrt wird. <strong>Die</strong>ser<br />
Gesellschaft gehören sehr viele frühere Beamte an, und ihre Statuten sind mit<br />
wahrhaft bürokratischer Genauigkeit ausgearbeitet. Der Wille der Götter wird hier auf<br />
zweierlei Weise erforscht: durch die Planchette und durch Meditation; auch Materialisationserscheinungen<br />
kommen vor. <strong>Die</strong> Offenbarung durch die Planchette geht auf folgende<br />
Weise vor sich. Im ganzen sind vier Leute daran beteiligt, zwei, die die Planchette<br />
handhaben, einer, der liest, und einer, der die Worte aufschreibt. Ehe die Handhabung<br />
beginnt, wird auf dem Altar des Heiligen, von dem man Auskunft erbittet, Weihrauch<br />
angezündet. <strong>Die</strong> Mitwirkenden knien der Reihe nach nieder und verbrennen ein Stück<br />
gelbes Papier, das in einen Kessel geworfen wird, aus dem die zusammenhängende<br />
Asche, nachdem es verbrannt ist, noch leise glimmend plötzlich mit drehender<br />
Bewegung aufsteigt bis an die Decke des Zimmers. <strong>Die</strong>ses Aufsteigen der verbrannten<br />
Papiere, das einen merkwürdigen Eindruck macht, gilt als Zeichen, daß der Geist sich<br />
genaht hat. Auf dem Altar steht ein großes flaches Gefäß, das mit feinem Sand gefüllt<br />
ist. <strong>Die</strong> beiden Planchettenschreiber ergreifen nun jeder mit einer Hand einen geglätteten<br />
Baumast, von dem in der Mitte ein kleinerer Zweig nach unten heraussteht. Der Gott<br />
schreibt zunächst sein Monogramm. In dem von mir beobachteten Falle bestand es<br />
darin, daß von der Mitte aus eine sehr regelmäßige Spirale in engen Windungen über<br />
die ganze Fläche gezogen wurde, die am äußeren Rande wieder umkehrte und nach<br />
innen ging. Es gibt jedoch verschiedene derartige Monogramme. Der höchste Gott z. B.<br />
hat ein lateinisches G. Nachdem der Gott seine Anwesenheit bekundet, geht das<br />
Schreiben los. <strong>Die</strong> Zeichen schreiben sich sozusagen wie von selbst, und es macht<br />
durchaus den Eindruck, daß es sich nicht um einen bewußten Vorgang bei den Beteiligten<br />
handelt. Es wäre auch gar nicht leicht, daß zwei Menschen, die jeder mit einer<br />
Hand den Ast anfassen, so geschickt oft recht komplizierte Zeichen schreiben. Bewußter<br />
Betrug ist um so mehr ausgeschlossen, als es sich nicht um eine Vorstellung für die<br />
Öffentlichkeit handelt und in der Regel gerade die Schüler, die neu in die Gesellschaft<br />
eingetreten sind, für diese Zwecke verwendet werden. <strong>Die</strong> Zeichen werden ohne Absatz<br />
geschrieben. Jedes Zeichen wird vom Leser laut vorgelesen, durch einen Kreis wird<br />
dann die Richtigkeit bestätigt. Wird, was zuweilen vorkommt, das Zeichen nicht richtig<br />
erkannt, so bleibt der Kreis aus, und das Zeichen schreibt sich von neuem. Ist das Zeichen<br />
bestätigt, so wird es aufgeschrieben. Darauf wird der Sand wieder geglättet, und<br />
das nächste Zeichen folgt nach.<br />
Im allgemeinen kann man sagen, daß die Geister ziemlich redselig sind, daß aber der<br />
Inhalt ihrer Offenbarungen sich meist auf etwas vage moralische Ermahnungen<br />
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