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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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zusammengebunden. Der dritte trat hinter den Tisch mir gegenüber, zog eine<br />

Mauserpistole, zielte nach mir und sagte: »Was wir wollen? Totschießen wollen wir<br />

dich.« Ich hatte plötzlich das absurde Gefühl, mich mitten in einem Räuberroman zu<br />

befinden. <strong>Die</strong> Geschichte kam mir weniger gefährlich als komisch vor. So fragte ich<br />

denn, warum sie mich eigentlich totschießen wollten. »Sie haben heute 2000 Dollar<br />

bekommen, und die wollen wir haben«, war die Antwort. Ich bemerkte darauf, daß sie<br />

wohl nicht nötig hätten, mich zu töten, wenn das ihre einzige Absicht sei. Das sahen sie<br />

denn nach kurzer Verhandlung, in deren Verlauf der eine dafür sprach, die Sache auf<br />

gelinde Weise zu behandeln, auch ein. Ich sagte ihnen, daß ich zwar keine 2000 Dollar<br />

habe, daß ich mich aber außerstande sehe, ihnen das vorhandene Geld vorzuenthalten.<br />

Sie fragten nun nach dem Schlüssel zum Kassenschrank und auf welche Buchstaben<br />

das Schloß sich öffne. Dabei nahm der eine mir im Vorbeigehen meine goldene<br />

Uhrkette mit Uhr ab. <strong>Die</strong> Uhr war wenig wertvoll, da meine goldene Uhr stehen<br />

geblieben war und zu jener Zeit in Tsingtau nicht repariert werden konnte. (Sie wurde<br />

mir dann später, nachdem sie repariert war, in Berlin auf dem Generalkonsulat einer der<br />

durch den Versailler Frieden neugebildeten Mächte gestohlen), aber die Kette verlor ich<br />

ungern. Zum Glück interessierten sich die Räuber nicht für meine Brieftasche, in der<br />

eine größere Summe in Banknoten steckte. Unterdessen hatte ein anderer den<br />

Geldschrank geöffnet und die Geldkassette herausgeholt. <strong>Die</strong> Kassette war verschlossen.<br />

Nun begannen sie wieder zu verhandeln: Sie hätten ja jetzt das Geld und würden<br />

es gewißlich mitnehmen. Aber es sei doch eigentlich schade um die Kassette. Mir sei<br />

der Schlüssel allein nichts nütze, während er für sie sehr wertvoll wäre. <strong>Die</strong>sem Argument<br />

verschloß ich mich nicht und zeigte ihnen, wo der Schlüssel verborgen lag. Sie<br />

schlossen auf und waren ein wenig enttäuscht, nicht mehr Geld zu finden. Ich versuchte<br />

nun auch zu verhandeln und sagte: Das Geld im rechten Fach sei mein eigenes und<br />

stehe ihnen zur Verfügung. Das Geld links dagegen gehöre dem Roten Kreuz und sei<br />

zur Pflege chinesischer Verwundeter bestimmt, das möchten sie dalassen. Sie waren<br />

nicht dafür zu haben: »Wir sind Rotbärte * und kümmern uns nicht ums Rote Kreuz.« Da<br />

war also nichts zu machen. Ich fragte, ob sie nicht eine Tasse Tee wollten. Aber sie<br />

hatten es eilig. Sie wollten mir nun einen Knebel in den Mund stecken und mir auch<br />

noch die Beine zusammenschnüren. Der Knebel, der aus einem ziemlich schmutzigen<br />

blauen Tuch genäht und offenbar mit Sand gefüllt war, machte einen widerlichen Eindruck.<br />

Wer mochte ihn schon vor mir im Mund gehabt haben! So wurde ich denn ernst<br />

und sagte ihnen, daß ich das unter keinen Umständen wünsche. Sie pflegten wieder<br />

einen kurzen Kriegsrat, und dann sprach der Mildeste unter ihnen, ich hätte mich<br />

eigentlich sehr höflich betragen, und sie wollten auch keine Unmenschen sein. Sie<br />

wollten von der Knebelung absehen, aber ich dürfe mindestens eine halbe Stunde lang<br />

nichts gegen sie unternehmen. Der Freche schnürte mir doch noch, wenn auch unvollkommen,<br />

die Beine zusammen und sagte, wenn ich mich rühre, würde ich von draußen<br />

her erschossen, dort ständen ihre Genossen. Man hörte auch wirklich einen dumpfen<br />

Lärm vor der Tür. Damit verließen sie das Haus. Ihr Besuch hatte offenbar etwas länger<br />

gedauert, als sie in Aussicht genommen hatten. Zum Schluß konnte ich mir nicht versagen,<br />

ihnen nachzurufen, daß ich doch 2000 Dollar habe. Sofort kamen sie wieder herbeigestürzt:<br />

wo sie seien. »Auf der Bank«, erwiderte ich freundlich. Das dämpfte ihr<br />

* Rotbärte, chinesisch Hung Hu Tse, ist der Name einer mandschurischen Räuberart, die auf ihren Zügen<br />

sich rote Bärte umzubinden pflegten. Später wurde der Name allgemein für Straßenräuber gebraucht.<br />

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