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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Das Heimweh zieht. -<br />

Am anderen Morgen fuhr ich mit Erwin Lang, dem Maler, nach der Kaiserinsel. Er wollte<br />

dort zeichnen. Bald fanden sich Zuschauerinnen ein. Sie gehörten zur Familie eines<br />

reichen Parsen, der auf der Insel eine Sommervilla hat. <strong>Die</strong> Mädchen waren am Ufer<br />

spazieren gegangen und wunderten sich über die fremden Gäste. Dem Maler sahen sie<br />

neugierig zu und zeigten große Lust, von ihm gemalt zu werden. Ein paar der Jüngeren<br />

waren neugierig wie die Fische, die älteren klug. Sie kicherten und kamen bald näher,<br />

als sie merkten, daß sich mit den Fremden auf chinesisch reden lasse.<br />

Ich ließ den Maler bei seinen Nymphen und fuhr allein hinüber nach dem Herz des<br />

Sees. Zwischen den dichten Bäumen ist eben Raum für einen kleinen Tempelpavillon.<br />

Dort wird der Drachenkönig und die Wasserprinzessin des Westsees verehrt. Ein bellender<br />

Hund hält Wache. Er machte mir jedoch Platz, als er merkte, daß ich etwas von<br />

chinesischen Märchen weiß. Am Ufer saßen ein paar Fischer und angelten. - Nicht weit<br />

entfernt ist noch eine andere kleine Insel, auf der nur Weidenbäume stehen. Dort ist es<br />

am hellen Tag gespensterhaft. <strong>Die</strong> Insel ist umgeben von einem Sumpfgürtel, auf dem<br />

Strandläufer graben. Der Herr der Insel ist ein Adler, der als Boten zwei Elstern hat. Als<br />

ich gelandet, meldete mich die eine Elster durch lautes Schreien. Ich sah mich einen<br />

Augenblick um, aber da hörte ich rings umher im Sumpf zischen und brodeln, und der<br />

taubstumme Bootsmann gab mir durch Gebärden und unartikulierte Laute zu verstehen,<br />

daß ich rasch weiter müsse. Und schon begann der Boden samtartig zu schwanken. Ein<br />

paar Erdstufen führten in den kleinen Weidenkreis der inneren Insel. Nichts war da als in<br />

der Mitte ein zerbrochener Denkstein aus alter Zeit. Ringsum zwischen je drei Dachziegeln<br />

eingepflanzt waren eine Menge von Chrysanthemen, die herumstanden wie verzauberte<br />

Menschen. Einige große Gefäße mit allerlei Düngemitteln standen am Rand,<br />

aus denen sie regelmäßig gefüttert wurden. -<br />

Zu den Erinnerungen des Westsees gehört auch der Tempel des Yüo Fe, der an seinem<br />

Grabe gebaut ist. Yüo Fe war ein treuer Feldherr der Sungdynastie, der sein Land<br />

schützen wollte vor den immer mehr herandrängenden Horden der Kintataren. Aber so<br />

tapfer er auch kämpfte, gegen ihn wurden Intrigen angesponnen durch den bösen Ts'in<br />

Kui und seine Frau, die Langzunge. So heimlich waren sie in ihren schwarzen Plänen,<br />

daß sie nicht zu reden wagten, sondern nur mit einem Eßstäbchen Zeichen in die Asche<br />

schrieben und immer sogleich wieder verwischten. So wurde denn durch ihren Verrat<br />

der tapfere Held Yüo Fe zu Tode gebracht. Aber die Vergeltung blieb nicht aus. Dem<br />

Helden wurde ein Tempel errichtet, in dem er heute Ehrungen genießt, die hinter den<br />

Ehrungen Kuantis, des Kriegsgottes, nicht zurückstehen. Besonders seit der Revolution<br />

wird er als nationaler Befreier von der Not der Tataren noch mehr gefeiert als zuvor. Vor<br />

seinem Tempel stehen gefesselt die eisernen Bilder von Ts'in Kui und der Langzunge,<br />

und jahrhundertelange Schmähung war ihr Teil. Erst seit dem Tempelneubau sind<br />

Tafeln angebracht, die sie vor Beschmutzungen schützen sollen. Ein merkwürdiges<br />

Zusammentreffen ist es, daß auch einige Opfer der Befreiungskämpfe, die zum Sturz<br />

der Mandschus führten, am Westsee ihre Ehrenhallen haben. Rührend liegt zwischen all<br />

diesen blutigen Helden aus alter und neuer Zeit das Grab der kleinen Su Siao Siao,<br />

einer zierlichen Sängerin aus der Zeit des großen Dichters Su Tung P'o. -<br />

<strong>Die</strong> Stadt Hangtschou pflegt zwar die Erinnerung an den großen Yü, der bei der Ordnung<br />

der Gewässer im Reich auch hierher gekommen sei, aber sie sieht auf kein so<br />

hohes Alter zurück wie andere Städte. Auf wenige Jahrhunderte drängt sich ihre Blütezeit<br />

zusammen. Es ist die Stadt der Seide und des Tees. Auch einige ganz berühmte<br />

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