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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Anhänglichkeit an denselben Lehrer verbunden sind, zeigen so auch die Ehrfurcht vor<br />

dem, was uns gleich ist.<br />

In den Kreisen der Mission hat es damals manche Diskussion darüber gegeben, ob<br />

diese Konfuziusverehrung nicht etwas Heidnisches sei, und auch mir wurden schwere<br />

Vorwürfe wegen meiner Haltung von mancher Seite aus gemacht. Aber ich bekenne,<br />

daß ich diese Sitte nur schön und erhebend finden kann. <strong>Die</strong> Haltung der Ehrfurcht ist<br />

unter allen Umständen ein Vorzug. Wo sie fällt, tritt nichts an ihre Stelle, das als Symbol<br />

von gleichem Ausdruckswert sein könnte. <strong>Die</strong> innere Freiheit wird dadurch nicht gestört.<br />

Es ist kein Zeichen höherer Frömmigkeit oder tieferer Freiheit, wenn man<br />

Verehrungswürdigem, dem man auf seinem Weg begegnet, die Ehre versagt, die ihm<br />

gebührt.<br />

Als später das Detachement zurückgezogen wurde, sank Kaumi allmählich wieder ganz<br />

in seinen Dornröschenschlaf zurück. <strong>Die</strong> Honoratioren traten wieder hervor und berieten<br />

über die Geschäfte. Einzelne Familien, die verarmten, verkauften ihre Altertümer und<br />

schieden allmählich aus den Reihen der Genießenden und Besitzenden aus. Andere,<br />

Emporgekommene, traten in die verlassenen Stellen ein. Uneinigkeit und Intrigen lähmten<br />

die Entschlußkraft. Manche der Tüchtigsten zogen sich je nach ihrem Besitzstand<br />

zur Opiumpfeife oder zum Schnapskännlein zurück. <strong>Die</strong> Revolution kam, und damit<br />

hörte die ganze Aristokratie zunächst auf, den früheren Einfluß auszuüben. Denn mit der<br />

Revolution kam ein ganz anderes System der Verwaltung auf. Das Mandschuregiment<br />

in China war aufgebaut gewesen auf einem ausbalancierten Gleichgewichtszustand von<br />

lokaler Selbstverwaltung und zentralisierter Bürokratie. <strong>Die</strong> Organe der Selbstverwaltung<br />

waren die Geschlechter, die Schenschi, Gürtelträger, wie sie genannt wurden. Sie<br />

mußten gewisse Rücksichten nehmen auf die verschiedenen Zünfte und Gilden, aber im<br />

wesentlichen hatten sie die Macht, wenn sie einig waren und das Interesse der<br />

Bevölkerung wahrten. <strong>Die</strong> Zentralregierung war vertreten durch den Kreisbeamten, den<br />

die Portugiesen Mandarin und die Engländer Magistrat zu nennen pflegten. Er hatte<br />

richterliche und verwaltungsführende Kompetenzen. <strong>Die</strong> Kreisbeamten waren direkt vom<br />

Kaiser ernannt, und es war festes Gesetz, daß keiner in seiner eigenen Provinz Beamter<br />

werden durfte. Dadurch sollte die Gefahr des Zusammenhaltens der unteren Instanzen<br />

gegen die Zentralregierung vermieden werden. Denn der Kreisbeamte war nach oben<br />

hin abhängig von den Bezirksbeamten und weiterhin den Provinzialgouverneuren, die<br />

alle Repräsentanten der Zentralregierung in Peking waren und dieser unterstanden.<br />

Immerhin war es einigen mächtigen Männern unter ihnen gelungen, zeitweise eine<br />

gewisse selbständige Macht in ihren Provinzen zu bilden, weshalb in Europa die falsche<br />

Bezeichnung »Vizekönig« für die Provinzialgouverneure und Generalgouverneure<br />

aufkam. Li Hung Tschang, Tschang Tsch'ï Tung und später Yüan Schï K'ai waren<br />

Beispiele dieses Typs. Aber auch sie waren letzten Endes bedingungslos vom Hof<br />

abhängig und konnten versetzt und ihrer Macht beraubt werden, wenn das aus<br />

irgendeinem Grunde nötig wurde.<br />

<strong>Die</strong>ses System, in dem die Interessen der Selbstverwaltung und der Zentralregierung<br />

sehr gut zum Ausdruck kamen, war solange wirkungsvoll, als die Beamten ihre Stellung<br />

längere Zeit innehatten, so daß sie sich mit den lokalen Verhältnissen und Bedürfnissen<br />

wirklich vertraut machen und zu einem produktiven Zusammenarbeiten mit den Vertretern<br />

der Ortsbevölkerung kommen konnten. Aber nachdem der Ämterkauf unter der<br />

Mandschuherrschaft immer mehr eingerissen hatte, mußte man alle die vielen Anwärter,<br />

die für die Bezahlung ihres Patentes oft größere Beträge entlehnt hatten, möglichst zahlreich<br />

an die Futterkrippe lassen, so daß sie Gelegenheit hatten, die angelegten Kapita-<br />

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