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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Fremde wählt. Nach dem Stück gab man den Schauspielern ein Trinkgeld, einige<br />

Stränge der durchlochten Käschmünzen, wie sie damals noch üblich waren. Zum Glück<br />

hatte ich aus einem instinktiven Gefühl heraus das Trinkgeld nicht zu knapp bemessen,<br />

denn wer beschreibt mein Erstaunen, als nach dem Stück der T'iän Kuan (Himmelsbeamte)<br />

auftrat und einen pantomimischen Zaubertanz aufführte, der damit endete, daß<br />

mir auf einer seidenen Fahne der Beschluß des Himmelsgottes, mir Glück zu gewähren,<br />

vorgehalten wurde. Darauf kamen vier Träger mit einem Tischchen, auf dem die<br />

Käschstränge lagen, setzten es auf die Mitte der Bühne und verkündeten mit lauter<br />

Stimme: »Wir danken dem großen Manne We für seine Belohnung.« Natürlich wurde ich<br />

abermals der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit, was keineswegs zu den<br />

Annehmlichkeiten gehört. Ich konnte aber von Glück sagen, denn kurz nach mir wurde<br />

ein anderer Gast abgeschlachtet. Es trat ebenfalls der T'iän Kuan hervor und machte<br />

seinen Tanz, sehr kurz und nicht ohne boshafte Grotesken. Dann kamen die <strong>Die</strong>ner mit<br />

dem Tisch, vier Mann hoch, und auf dem Tischchen lagen ein paar kümmerliche Kupfermünzen.<br />

Aber unnachsichtig wurde es ausgerufen: »Wir danken dem großen Manne<br />

Wang für seine Belohnung.« Allgemeine Heiterkeit. Ich habe damals zum erstenmal<br />

einen Chinesen abrupt erröten sehen; dann hielt er sich den langen Ärmel vors Gesicht<br />

und verschwand sehr bald aus der Gesellschaft. Ob er kein Geld bei sich hatte, oder nur<br />

im stillen ein wenig sparen wollte, ist mir nie bekannt geworden.<br />

<strong>Die</strong> Festlichkeiten dauerten bis tief in den Abend hinein, um an den nächsten Tagen fortgesetzt<br />

zu werden. Ich verabschiedete mich aber, dankend für das eindrucksvolle Erlebnis.<br />

<strong>Die</strong> Ehe des Herzogs ist übrigens leider trotz des schönen Festes keine glückliche<br />

gewesen. Er ist ohne Nachkommen vor einigen Jahren verstorben, und heute sitzt ein<br />

kleines Kind, sein Neffe, den er adoptiert hatte, auf dem Thron der Enkel des Meisters<br />

der zehntausend Geschlechter.<br />

Auf der Heimreise hatte ich noch ein merkwürdiges Erlebnis. Bis nach Tsinanfu machten<br />

wir - die chinesischen Schüler und ich - die Reise zusammen. Von dort aus wollte ich<br />

aber nach Rücksprache mit dem Kreisbeamten einen anderen Weg für mich einschlagen.<br />

Es geht nämlich von Tsinanfu aus ein Kanal, der sogenannte Hsiaotf'ing-Ho,<br />

parallel zum Gelben Fluß nach Norden, in den Golf von Tschïli, in den er bei dem Ort<br />

»Widderhornravine« (Yang Küo Kou) mündet. Von da wollte ich über Land nach<br />

Wehsiän fahren, um dort wieder Anschluß an die Bahn zu finden.<br />

Der Kanal geht zwischen hohen Dämmen durch die weite Ebene. Kleine, flache Segelboote<br />

befahren ihn mit großer Geschwindigkeit, wenn Wind und Wetter günstig sind. So<br />

war die Fahrt denn sehr erfreulich. An einigen Inlandzollstationen machte das Boot halt,<br />

man konnte auf den Deichen spazierengehen und die Gegend übersehen. Je näher<br />

man dem Meere kommt, desto häufiger bemerkt man seltsame, querstehende<br />

Windräder. Sie stehen in flachen Salzpfannen und sind Pumpvorrichtungen, um aus<br />

dem Meerwasser durch Verdunstung Salz zu gewinnen. Da es in China keine<br />

Salzbergwerke gibt, ist alles Salz entweder Seesalz oder aus den Salinen im Westen<br />

gewonnen.<br />

Endlich kam das Boot im Hafen an. Wie mir in Tsinanfu mitgeteilt worden war, hatte der<br />

Bootsführer in amtlichem <strong>Die</strong>nst gestanden, und es handelte sich nur darum, ihm ein<br />

kleines Trinkgeld zu geben. Wie erstaunte ich aber, als ich an Land stieg und mein Geld<br />

- etwa noch 100 Stränge Käsch -mitnehmen wollte. Der Bootsführer erklärte rund<br />

heraus, daß das Geld an Bord bleiben müsse, weil so viel der Fahrpreis betrage. Ich<br />

machte ihm das Ungehörige seiner Forderung ruhig und sachlich klar, so daß er<br />

schließlich tatsächlich keine Gegengründe mehr hatte und bereit schien, wenigstens<br />

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