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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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längst schon alles still geworden ist, gießt er immer noch sein graues Samtlicht über das<br />

schlafende Meer der Dächer hin.<br />

Wenn das Laternenfest vorüber ist, dann kommt die Arbeit wieder, und das Leben geht<br />

seinen gewöhnlichen Gang weiter. Namentlich auf dem Land wird die Rückkehr zur<br />

Feldarbeit durch das Fest des Frühlingsanfangs bezeichnet. Wenn der Kaiser auf dem<br />

Anger vor der Stadt pflügte, so fand im ganzen Land eine ähnliche Feier statt. <strong>Die</strong><br />

Beamten zogen vor die Stadt, und die Zeremonie des Pflügens wurde mit einem<br />

Papierochsen vollbracht. <strong>Die</strong> Farbe des Ochsen war den verschiedenen Jahren entsprechend<br />

verschieden. Nach dem Pflügen wurde in fröhlichem Streit der Papierochse<br />

unter die Bevölkerung verteilt, und wenn einer ein Horn oder ein Bein erwischte, so trug<br />

er es beglückt nach Hause in dem festen Bewußtsein, daß es fürs ganze Jahr Glück<br />

bringen werde. Selbstverständlich lockern sich alle derartigen Volkssitten jetzt immer<br />

mehr. Sie flüchten aufs Land, sie werden zu örtlichen Besonderheiten. Sie versteinern<br />

oder kommen ab. Das ist der Lauf der Zeit.<br />

Das Konfuziusopfer, das im Frühling und Herbst dargebracht zu werden pflegt, ist z. B.<br />

aus dem öffentlichen Bewußtsein fast ganz ausgeschieden. Früher war es ein überaus<br />

festlicher Akt, als der Kaiser in eigener Person seine Huldigung vor dem Vertreter der<br />

höchsten geistigen Ideale darbrachte, als noch die heiligen Tänze mit Flöten und Fasanenfedern,<br />

mit Beilen und Schildern zu den Klängen der alten Musik vorgeführt wurden,<br />

als vor dem Meister und seinen vier Getreuen die Opfergaben an Seide, Wein, Feldfrüchten,<br />

Speisen und die drei Ganzopfer: Stier, Schwein, Schaf ausgebreitet wurden.<br />

Eine feste Zeremonie schrieb den Hergang vor. Erst wurden die Geister der Verehrten<br />

empfangen. Das Abbrennen von Weihrauch, der Klang der Pauke unter Festgesang und<br />

Reigen waren Zeichen ihres Nahens, das durch tiefe Verneigungen begrüßt wurde.<br />

Dann kam der heiligste Teil: die Darbringung der Opfergaben und ihre Zueignung an die<br />

Geister. Zum Schluß wurde den Geistern das Geleite gegeben und die Opfergaben<br />

abgeräumt. <strong>Die</strong> Seide und das Opfergebet wurden verbrannt, die übrigen Gaben an die<br />

Gehilfen des Opfers verteilt. Der Konfuziusdienst war ganz ohne Götterbild. Allein eine<br />

Tafel bezeichnete durch ihre Inschrift den Platz, wo der Heilige während der Opfer<br />

anwesend gedacht ward.<br />

<strong>Die</strong>ser Opferdienst, der ja nur eine besonders feierliche Art des Tempeldienstes überhaupt<br />

ist, gibt manche Aufklärung über Dinge, die in chinesischen Tempeln dem besuchenden<br />

Fremden oft auffallen. Man kommt in einen Tempel voll von schrecklichen oder<br />

freundlichen Göttergestalten. Der Führer erklärt alles, bleibt vollkommen kalt, berührt die<br />

Bilder, ja beteiligt sich wohl oft selbst, wenn die Besucher ihre mehr oder minder<br />

geistvollen Witze machen. Man hat daraus geschlossen, daß der Chinese irreligiös sei<br />

und seine eigenen Götter verlache. Das ist jedoch nicht der Fall. <strong>Die</strong>se Bilder sind gar<br />

keine Götter. Es sind nur Orte, an denen sie sich niederlassen, wenn sie auf die rechte<br />

Weise gerufen werden. Wenn der Gott da ist, dann ist die Anwesenheit vor seinem Bilde<br />

eine strenge und heilige Sache. Wenn er aber nicht da ist, dann ist sein Bild ein Stück<br />

Holz oder Ton. Es ist sehr interessant darüber nachzudenken, wie diese<br />

Gottesgegenwart zustande kommt. <strong>Die</strong> Götter müssen doch irgendwie in der Nähe sein,<br />

damit sie herbeikommen, wenn Pauke und Glocke tönt und der Weihrauch emporsteigt.<br />

<strong>Die</strong> Antwort ist: es kommt alles auf das Herz des Gläubigen an. Wenn der Betende in<br />

seinem Herzen den Kontakt hat mit dem Namen des Gottes, dann ist der Gott für ihn da.<br />

Und was er bittet in diesem Kontakt mit dem Überpersönlichen, das wird er auch<br />

bekommen, ja, das hat er schon in dem Moment, da er bittet. Darum findet man in<br />

Tempeln auch häufig Tafeln mit der Inschrift: »Wer bittet, der wird sicher Erhörung fin-<br />

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