Die Seele Chinas - Chinaseiten
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und standen - die meisten also in notdürftig ergänzten Nachtkleidern -, eine längere<br />
Wanderung antreten, um mit den Räubern zusammen außer Verfolgungsweite zu<br />
kommen. Dabei kamen sehr rührende Szenen vor. <strong>Die</strong> Gattin eines amerikanischen<br />
Milliardärs hatte ihren wertvollen Brillantschmuck in ihre Schuhe getan. Als aber die<br />
Wanderung länger dauerte und tiefer ins Gebirge führte, mußte sie inne werden, daß<br />
selbst der schönste Schmuck eine Last ist, wenn man ihn unter den Fußsohlen trägt. So<br />
benützte sie denn eine Ruhepause und vergrub ihn unter einem Stein. Es hat später den<br />
ehrlichen Findern ziemlich viele Mühe gekostet, bis alle Steine, die in Betracht kamen,<br />
aufgedeckt waren und der Schmuck wieder an seine Besitzerin zurückgebracht werden<br />
konnte.<br />
<strong>Die</strong> Betroffenen nahmen die Gefangenschaft, soweit sie nicht unter Krankheit und<br />
Unbilden zu leiden hatten, als eine Art von Sport auf, zumal die Räuber recht angenehm<br />
waren und zum größten Teil auch ein gutes Französisch sprachen, das sie während des<br />
Weltkriegs in Europa gelernt hatten. Dennoch ließen sie sich nicht dazu herbei, ihre früheren<br />
Alliierten auf freien Fuß zu setzen. Sie hatten in Frankreich auch gelernt, was man<br />
Europäern bieten kann. <strong>Die</strong> Gefangenen wurden in mehreren Tagemärschen in den<br />
Schlupfwinkel der Räuber gebracht, wo sie die nächsten Wochen zu bleiben hatten. Nur<br />
die Damen, vor denen die Räuber einen heiligen Respekt bekamen, wurden sehr bald<br />
freigelassen. Nun wurden Verhandlungen gepflogen. Erst wurde ein Waffenstillstand<br />
vereinbart, nach dem die regulären Truppen sich mehrere Dutzend Kilometer<br />
zurückziehen mußten. Dann wurden die Bedingungen stipuliert: entsprechende Lösegelder<br />
und Straflosigkeit der Räuber mit der Aussicht, in die chinesische Armee eingereiht<br />
zu werden, wobei sich die Führer höhere Offiziersposten ausbedangen. Ferner<br />
sollten Vertreter der fremden Mächte die Erfüllung der Bedingungen garantieren, da<br />
man der eigenen Regierung doch nicht unbedingt traute. <strong>Die</strong> chinesische Regierung<br />
hatte einen äußerst schweren Stand. Auf der einen Seite standen die Räuber und<br />
drohten die Fremden zu töten, wenn man ihnen nicht zu Willen war, auf der anderen<br />
Seite stand das diplomatische Korps - außer dem deutschen Gesandten, der den Fall<br />
des beteiligten Deutschen auf friedliche Weise geregelt hatte. <strong>Die</strong> fremden Vertreter<br />
machten die chinesische Regierung verantwortlich, die wirklich nichts dafür konnte, und<br />
drohten mit progressiv sich steigernden Schadenersatzforderungen für materielle und<br />
seelische Schäden, wobei namentlich die <strong>Seele</strong>nschäden sehr bedeutende Summen<br />
ausmachten. Während die chinesische Regierung auf der einen Seite aufs heftigste<br />
gedrängt wurde, band man ihr andererseits die Hände, indem man jedes gewaltsame<br />
Vorgehen gegen die Räuber inhibierte.<br />
Es entspannen sich mit den Räubern unter dem Beisein von Europäern und Amerikanern<br />
regelrechte diplomatische Verhandlungen. Man traf sich an einem neutralen Ort.<br />
Man lud sich zu Tisch. Man richtete eine regelrechte Postverbindung mit eigenen »Räubermarken«<br />
ein, die für Sammler von großem Interesse waren. Man machte Aufnahmen<br />
von dem jungen hübschen Räuberhauptmann, der sich so sehr für die photographischen<br />
Apparate interessierte, daß plötzlich einer davon verschwunden war. Kurz, es ging alles<br />
sehr charmant zu, und schließlich erreichten die Räuber, was sie wollten: aus dem<br />
Brigantenführer wurde ein Brigadenführer, und auch von seinen Leuten wurden soviele,<br />
wie den Wunsch hatten, ins reguläre Militär eingereiht. Sie bildeten eine geschlossene<br />
Abteilung, die den Truppen von Schantung angegliedert wurde. <strong>Die</strong> solideren der<br />
Räuber zogen es freilich vor, teils mit ihrem Verdienst sich ins Privatleben<br />
zurückzuziehen, teils bei einer anderen Räuberbande in Stellung zu gehen.<br />
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