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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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In der Nähe dieses Marktes ist an manchen Tagen Schweinemarkt. Das ist nun freilich<br />

eine Hölle. Manche Menschen von Gefühl machen an diesen Tagen lieber weite<br />

Umwege, als daß sie die Qualen der wehrlos gefesselten umherliegenden Tiere mit<br />

ansehen, oder ihr Schreien hören, wenn sie gestoßen, geschlagen, getrieben, getötet<br />

werden. Hier ist die Tierhölle, die von den Höllen draußen vor dem Osttor im Tempel<br />

des Totengottes nicht wesentlich verschieden ist. Auch die Hunde auf der Straße haben<br />

es nicht gut. Sie werden selten persönlich gepflegt, sondern treiben sich, oft krank und<br />

räudig, überall umher, wo sie einen Bissen erschnappen können, bis sie in einem Winkel<br />

zugrunde gehen.<br />

Dort begegnet man einem Zug von Kamelen. Im Winter tragen sie einen dichten Wollpelz,<br />

der im Laufe des Frühlings in Fetzen sich löst, bis sie im Spätsommer völlig nackt<br />

sind, worauf ihnen neuer Flaum wächst. <strong>Die</strong>se Mauserung macht aus den Tieren oft die<br />

groteskesten Karikaturen. Sie haben alle einen mißvergnügten, hochmütig höhnischen<br />

Zug um den Mund. Manche beißen auch, und allen sieht man es an, daß sie keine liebevollen<br />

Wesen sind. Sie haben viel zu dulden und dulden meistens stumm. Nur wenn<br />

man sie beladen hat und sie aufstehen sollen, widerstreben sie. Sie werden am Nasenring<br />

gezogen, und dann schreien sie entsetzlich. Auch wenn ihnen die Ledersohlen an<br />

die Füße genäht werden, wenn sie beim Wüstenzug sich wundzulaufen beginnen,<br />

äußern sie sich klagend. Sonst gehen sie still und heimtückisch ihren dürftigen Leidensweg.<br />

Man hat schon häufig gefragt, ob das chinesische Volk grausam sei. Eine solche Frage<br />

enthält eigentlich einen Fehler. Es gibt kein Volk, das als Ganzes grausam wäre, ebenso<br />

wie es kein liebevolles Volk gibt. Höchstens, daß Sitten und Gewohnheiten bestimmte<br />

Gleise haben. Hier ist nun allerdings die Grenzlinie zwischen Liebe und<br />

Rücksichtslosigkeit anders gezogen als in Europa. Der Chinese findet das europäische<br />

Familienleben herzlos und liebeleer. Söhne von Brüdern schon stehen einander fremd<br />

gegenüber, und selbst Kinder gibt es, die ihre Eltern nicht versorgen. Das ist in China<br />

ganz anders. Hier ist das Gefühl gegen Eltern und Geschwister so warm und aufrichtig,<br />

daß es auch in der Lyrik als Gehalt verwendet wird. Aber die öffentliche Hilfsbereitschaft,<br />

die einem Menschen auf der Straße beispringt, den man gar nicht kennt, ist in<br />

China nicht so entwickelt wie in Europa - eben wegen der hohen Entwicklung des Familiengefühls.<br />

Wo ferner grausame Strafen herrschen, da werden die Sitten roh, das sieht man ja am<br />

besten im Krieg - auch unter ganz zivilisierten Völkern. So bewirkten die früheren grausamen<br />

Strafen in China eine Abstumpfung der Gefühle gegen das Leiden anderer. Aber<br />

ebenso ist in den letzten Jahren, seit diese Strafen abgeschafft sind, eine entschiedene<br />

Besserung eingetreten. Gerade die Behandlung, die die internierten Deutschen während<br />

des Krieges erfahren haben, zeigte viel mehr Rücksicht und Mitleid bei den Chinesen<br />

als bei den Europäern in Ostasien.<br />

Den Tieren gegenüber ist der Mann aus dem Volk nicht grausam, aber oft gedankenlos.<br />

Selbstverständlich liebt und pflegt er die Tiere, mit denen er zusammen ist und die ihm<br />

als Haustiere von Nutzen sind. <strong>Die</strong> Haustiere werden im allgemeinen recht gut behandelt.<br />

Allerdings ohne Sentimentalität. <strong>Die</strong> zarte Rücksichtnahme, die in Europa ältere<br />

Damen auf ihre Hunde nehmen - in Tsingtau war z. B. eine deutsche Lehrerin, die verwöhnte<br />

ihre beiden Hunde sogar auf Kosten von Menschen -, ist in China im allgemeinen<br />

nicht vorhanden. Tiere sind für die Chinesen unvollkommenere, niedrigere Wesen<br />

als die Menschen, auf die man darum weniger Rücksicht nimmt. Hier wirkt der Buddhismus<br />

etwas erweichend durch sein Mitleid mit allem, was lebt. Freilich nicht der<br />

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