Die Seele Chinas - Chinaseiten
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Yu We und Liang K'i Tsch'ao nach Norden gekommen. Hier bildete sich nun auch ein<br />
Auslandsstudententum aus, das nicht für den Bestand der chinesichen Kultur, sondern<br />
für die Dynastie selbst gefährlich werden sollte.<br />
<strong>Die</strong> von der Kaiserin-Witwe und ihren Ratgebern eingeleiteten Bildungsreformen litten<br />
nämlich an Systemlosigkeit. Während die Reform in Japan, ausgehend von einer Handvoll<br />
festentschlossener, zielbewußter und vollkommen geheim arbeitender Männer, nach<br />
einem beinahe mathematisch ausgezirkelten Plane, Schritt für Schritt zur Ausführung<br />
kam, waren die Verhältnisse in China viel chaotischer. Es gab in China unter den<br />
großen Führern der Nation niemand, der die nötigen Detailkenntnisse für die einheitliche<br />
Durchführung einer so ungeheuren Aufgabe gehabt hätte. Man darf ja nicht vergessen,<br />
daß die Aufgabe in China weit schwieriger war als in Japan, dessen übersichtliche<br />
Verhältnisse höchstens einer bis zwei der einzelnen chinesischen Provinzen<br />
gleichkamen. Außerdem handelte es sich in China nicht wie in Japan einfach um einen<br />
Wechsel des Gewandes, sondern um eine Neugestaltung aus der Tiefe heraus. Man<br />
hätte denken sollen, daß China, wenn es selbst die Männer noch nicht besaß, die die<br />
positiven Kenntnisse für eine solche Reform hatten, zu der Auskunft Japans hätte<br />
greifen können und ausländische Berater in umfangreichem Ausmaß hätte anstellen<br />
können, die dann die Verantwortung für die richtige Durchführung der Reformen gehabt<br />
hätten.<br />
Auch dies ist nur bis zu einem gewissen Grad geschehen. Da und dort wurden wohl<br />
Ratgeber für die Reformen beigezogen, aber man gab ihnen nie volle Gewalt, so daß<br />
sie doch ziemlich gehemmt waren. Verschiedene Gründe lassen sich dafür angeben.<br />
Einmal war die Fühlung zwischen China und den fremden Ländern noch nicht so weit<br />
hergestellt, daß die Möglichkeit vorhanden gewesen wäre, die geeigneten Leute<br />
unmittelbar auszuwählen. Zudem gab es in diesen Ländern ja wohl Fachkenner, aber<br />
keine solchen, die zugleich mit den chinesischen Verhältnissen und Bedürfnissen so<br />
vertraut waren, daß sie vor groben Mißgriffen absolut sicher gewesen wären. Man<br />
mußte also die heranzuziehenden Ratgeber den in China anwesenden Fremden<br />
entnehmen. Hierfür kamen in erster Linie die Zollbeamten und die Missionare in<br />
Betracht.<br />
Der chinesische Seezoll ist eine Einrichtung von Sir Robert Hart, die jahrzehntelang als<br />
Verwaltungskörper geradezu musterhaft funktioniert hat. Auch die Posrverwaltung und<br />
später die Salzverwaltung haben sich in dieser Hinsicht recht gut bewährt. Man kann<br />
auch nicht sagen, daß diese Körperschaften infolge ihrer fremden Beamten die Politik<br />
der fremden Nationen mehr als die <strong>Chinas</strong> betrieben hätten. Dafür war schon durch die<br />
bunte Zusammensetzung des Stabes gesorgt, der eine starke Einheit außerhalb der<br />
nationalen Schranken bilden mußte, wenn er überhaupt bestehen wollte. <strong>Die</strong>se Solidarität<br />
hat sich auch recht gut bewährt. Erst im Weltkrieg ist sie in die Brüche gegangen,<br />
und die deutschen Angehörigen dieser Behörden wurden brutal entfernt. Das ist<br />
natürlich aufs tiefste zu beklagen, wenn auch hier gewiß ist, daß die Nemesis ihren Lauf<br />
nehmen wird: Was mit den Deutschen zuerst geschah, wird mit den anderen fremden<br />
Staatsangehörigen über kurz oder lang auch geschehen. Man kann wohl sagen, daß der<br />
chinesische Seezoll in seiner bisherigen Form im Weltkrieg prinzipiell den Todesstoß<br />
bekommen hat.<br />
Wenn nun aber der Seezoll als wirtschaftliche Behörde in China sehr gut gewirkt hat, so<br />
kann man doch, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, nicht sagen, daß er als Keimzelle<br />
für die übrigen Reformeinrichtungen in Betracht gekommen wäre. Als wirtschaftliche,<br />
verhältnismäßig wohlbegrenzte Einrichtung vertrug er wohl zur Not die starke Selb-<br />
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