Die Seele Chinas - Chinaseiten
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Epidemie schwankende Gerüchte das Land durchflattern, die niemals Tatsachen<br />
wiedergeben, sondern immer nur Stimmungen, so sind die Herde der Verbreitung stets<br />
die Märkte. Zeitungen im westlichen Sinn sind ja erst in den allerletzten Jahrzehnten in<br />
China häufiger geworden. - Gelegentlich werden auch Streitigkeiten geschlichtet, und oft<br />
ist es so, daß der Schuldige ein Essen mit Wein geben muß, bei dem alle Beteiligten<br />
sich gütlich tun und wieder heiter und freundlich werden. Gelegentlich zeigen sich dann<br />
aber, wenn etwa ein Bäuerlein auf dem Markt nach einem guten Handel zuviel des<br />
Guten getan hat, auf dem Heimweg in der Finsternis böse Gespenster, die allerlei<br />
Unheil und Schabernack anrichten. Derartige Geschichten werden schon in alter Zeit<br />
erzählt. So heißt es z. B. in den Frühlings- und Herbstannalen des Lü, der zur Zeit des<br />
Ts'in Schï Huang Ti lebte:<br />
»In einem Dorf war ein sonderlicher Teufel, der freute sich daran, die Gestalt von anderer<br />
Leute Söhnen oder Brüdern anzunehmen. Ein Alter aus der Gegend war einst zu<br />
Markt gegangen und kam von dort betrunken heim. Der Teufel nahm die Gestalt seines<br />
Sohnes an und führte ihn scheinbar nach Hause. Doch plagte er ihn unterwegs aufs<br />
ärgste. Als nun der Alte heimkam, war der Rausch verflogen. Er schmähte seinen Sohn<br />
und sprach: >Ich, als dein Vater, habe es noch nie an Liebe zu dir fehlen lassen. Was<br />
war der Grund, daß du auf dem Weg mich so plagtest, da ich nun betrunken war?< Sein<br />
Sohn schluchzte, stieß das Haupt zur Erde und sagte: >Das ist ein Spuk. Nicht also war<br />
es. Denn vorhin hatte ich im Osten etwas zu tun. Du kannst die Leute auf der Straße fragen.<<br />
Sein Vater glaubte ihm und sprach bei sich: >Ei, das ist sicher wieder dieser sonderliche<br />
Teufel. Ich habe wohl von ihm gehört. Morgen will ich wieder zu Markt gehen<br />
und erst recht trinken. Da möchte ich ihm begegnen. So bring ich ihn dann sicher um.<<br />
Am andern Morgen ging er auf den Markt und ward betrunken. Sein Sohn aber, der<br />
fürchtete, daß der Vater nicht allein imstande sei zurückzukommen, ging ihm entgegen<br />
vor das Dorf hinaus. Der Alte sah seinen Sohn. Er zog sein Schwert heraus und stach<br />
ihn tot.« -<br />
Kiautschou ist heute eine stille Stadt. <strong>Die</strong> Mauern zerbröckeln allmählich, die Tore zerfallen,<br />
und die Erinnerung an die Vergangenheit brütet über den weiten Feldern, die<br />
heute an Stelle von Häusern und Straßen große Teile der ummauerten Stadt ausfüllen.<br />
<strong>Die</strong> Zikaden schwirren in den sommerlichen Weidenbäumen, und die Lerchen singen in<br />
ihren Käfigen, die von Vogelliebhabern schon am frühen Morgen in die Natur hinausgetragen<br />
werden.<br />
Es gibt eine alte Sage von der Fee Maku, daß sie noch immer jung geblieben sei,<br />
obwohl das Meer dreimal zu Maulbeergärten sich gewandelt habe und die<br />
Maulbeergärten dreimal sich ins Meer versenkten. So steigt heute wieder das Land aus<br />
dem Meer, wird Sandfläche, Steppe, Getreideland. Hafenstädte rücken ins Inland<br />
zurück, und neue Orte tauchen aus dem Nichts hervor wie damals der deutsche Hafen<br />
Tsingtau, der ehedem ein ärmliches Fischernest war, bis die Eisenbahn kam und die<br />
Riesendampfer, die großen Straßen und die Fabriken. Kiautschou sank in die<br />
Vergessenheit eines Landstädtchens zurück. Und wieder ändern sich die Zeiten. Einst<br />
wohnten deutsche Soldaten in prächtigen Kasernen auf einem Hügel vor der Stadt<br />
Kiautschou. Sie sind wieder abgezogen, um die Kasernen wuchs ein Wald, während<br />
langsam Fenster und Dächer, Türen und Riegel verfielen und entfernt wurden, so daß<br />
heute nur noch Gestrüpp und Ruinen die Stelle bedecken. Und dies alles: Kommen und<br />
Gehen in einem halben Menschenalter. Man versteht im Blick auf diesen Wandel, wenn<br />
Laotse sagt:<br />
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