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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Zur Zeit der Wallfahrten sind alle Straßen mit Pilgern belebt. <strong>Die</strong>se Pilger kommen oft<br />

von weit her, um Gelübde zu bezahlen oder Wünsche den Göttern auszusprechen, und<br />

derTaischan ist von vielen Göttern bewohnt. Neben den männlichen Gottheiten sind<br />

auch weibliche vertreten. Ziemlich weit unten ist Tou Mu Kung, der Tempel der Mutter<br />

des Nordsterns. <strong>Die</strong>ses Heiligtum wird von buddhistischen Nonnen gehütet. Nicht immer<br />

wahrten im Strom der Gäste diese Nonnen den ganzen Ernst ihres Berufs. Ihr Kloster ist<br />

zwar von einer festen Mauer umgeben und Stachelzweige auf den Mauern wehren<br />

jedem, der leichtsinnig die Mauern übersteigen wollte. Aber wozu das? Hat das Kloster<br />

doch Tür und Tor, durch die fromme Pilger auf dem geraden Wege eintreten können.<br />

<strong>Die</strong> alte Mutter des Nordsterns ist eine gütige Göttin, und ihr Heiligtum hat lauschige<br />

Plätzchen mit entzückender Aussicht auf den Berg und rauschende Bächlein, und die<br />

Nonnen haben ein mitleidiges Herz für müde Pilger. Aber manchmal kam es wohl vor,<br />

daß die Grenzen zwischen buddhistischem Mitleid für alle lebenden Wesen und<br />

weltlichere Gefühle sich verwischten. Das Nonnenkloster wurde zum Anziehungspunkt<br />

für Amateurpilger und zum Skandalon für alle frommen <strong>Seele</strong>n. Da kam denn einmal ein<br />

tüchtiger Beamter, der aufräumte. <strong>Die</strong> Nonnen wurden in die Ehe geschickt, und im<br />

Kloster wurde eine Schule eingerichtet. Aber die Zeiten ändern sich wieder. Heutzutage<br />

ist die Schule zwar noch da, aber Nonnen sind auch wieder eingezogen und lassen ihr<br />

Heiligtum wieder schön herrichten. -<br />

Der Berg hat auch andere Seiten. In Sommernächten, wenn die Gewitter tosen und die<br />

Wasser von den Bergwänden rauschen, dann wird er fürchterlich. Nächtelang folgt Blitz<br />

auf Blitz, und die gähnend schwarze Nacht wird noch unheimlich schwärzer durch den<br />

Wechsel der violetten Schlangen, die den Himmel durchzucken oder krachend in die<br />

Felsen fahren. Gar mancher Sommergast hat den Zorn der Götter zu fühlen gehabt,<br />

wenn das Gebälk des Hauses, in dem er zur Nacht Schutz gesucht, wankend zu<br />

weichen begann und er in donnernden Sturz von ungeheuren Balken, Schutt und<br />

Ziegeln mit seinem Bett zerschmettert wurde, während draußen vor der Tür sein<br />

Hündlein winselte und zu seinem Herrn wollte, weil es Angst hatte im Toben der<br />

Elemente, dessen schreiendes Echo von allen Felsen hereingeworfen wurde in die<br />

Hütte, die Menschen sich einrichteten auf dem Spielplatz der Drachen und<br />

Wolkengeister.<br />

Oft steigen die Wolken nieder von den Gipfeln und brauen in Schluchten und Tälern.<br />

Sprühregen fällt, und der Wind pfeift durch die Felslöcher und macht die alten Kiefern<br />

ächzen, wenn er durch ihre haarigen Zweige fährt und sie rüttelt. Das wirkt wie ein Gespenstertanz.<br />

Bald breitet sich ein nasser, weißer Schleier vor die Landschaft und dringt<br />

durch Mäntel und Decken, bald löst er sich in Fetzen auf, die dort an Felsenzacken sich<br />

anhängen, während dazwischen plötzlich tiefe Täler sich öffnen. Dann gehen die Täler<br />

plötzlich wieder zu, und ein schmaler Sonnenstreif läßt irgendwo in der Luft ganz<br />

unwahrscheinlich ferne grüne Ebenen und silberne Flußwindungen sehen. So wallen die<br />

Wolken auf und ab. Sie kochen und brauen das Wetter zurecht. Ein Adler zieht durch<br />

einen Spalt, oder ein krächzender Rabe schwimmt trägen Fluges in die Nebelwand hinein.<br />

Manchmal wird auch der Nebel aufgesogen, und hoch und steil treten die Felsen an den<br />

Weg heran. Glitzernd von Feuchtigkeit und tropfend von rieselnden Wassern steigt der<br />

Weg bergan. Bald kommt man an ein Tor, das Tor, wo man »die Pferde zurücklassen<br />

muß«. Man sieht noch einmal hinunter ins weite Land. Es ist ein kleiner, ebener Platz,<br />

von Ruhehütten umgeben. Hier, heißt es, habe Konfuzius haltgemacht, als er mit seinen<br />

Jüngern den Berg erstiegen. Von dieser Höhe aus sei die Welt ihm klein erschienen.<br />

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