Die Seele Chinas - Chinaseiten
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dschus waren sozusagen als seine Hilfsvölker gekommen und besetzten im Kampf<br />
gegen den Aufruhr den leergewordenen Herrscherthron. So vollzog sich der Übergang<br />
von einer Dynastie zur anderen viel milder als gewöhnlich. Eben dieses Schicksal ward<br />
nun auch der Mandschudynastie zuteil. <strong>Die</strong> Kaiserin-Witwe hatte während ihrer langen<br />
Regierung zwar die nachwirkende Kraft der Verdienste der ersten Herrscher, eines<br />
Kanghsi und Kienlung, etwas stark beansprucht. Aber jene Verdienste waren besonders<br />
groß gewesen, und andererseits war die Regierung der alten Frau doch nicht nur<br />
negativ zu bewerten. So war denn zur Zeit der Revolution der Schatz der guten Werke<br />
noch nicht ganz aufgebraucht. Darum wurde auch das Los der Dynastie ein milderes.<br />
Der Kaiser verzichtete auf die Ausübung der Regierung, aber er blieb Kaiser mit allen<br />
Zeichen seines Ranges und mit einem ansehnlichen Jahreseinkommen aus den Kassen<br />
der Republik.<br />
Doch die Verhältnisse erwiesen sich schließlich als stärker. <strong>Die</strong> öffentlichen Kassen<br />
waren leer, so blieb denn mehr und mehr auch die kaiserliche Apanage im Rückstand,<br />
bis sie schließlich ganz ausblieb. Der Kaiser selbst ist ein geistig aufgeweckter, junger<br />
Mann, der unter der Leitung eines auch in chinesischer Hinsicht feingebildeten englischen<br />
Lehrers durchaus moderne Ideen hat - oft sehr zum Schreck der alten Herren bei<br />
Hof und der älteren Prinzessinnen mit ihren konservativen Anschauungen.<br />
Nicht nur, daß er die Tempel seiner Ahnen auf dem Fahrrad besuchte und auch beim<br />
Sommerpalast seine Radübungen machte: er griff auch ganz energisch mit allerlei<br />
Reformmaßnahmen durch. Wie schon erwähnt, entließ er mit einem Schlage die Eunuchen<br />
trotz des energischen Widerstandes aller kaiserlichen Tanten. Tagelang saßen die<br />
Ausgewiesenen mit ihren Habseligkeiten vor den Toren des Palastes, ehe sie abzogen.<br />
Ferner schickte er kurz nach seiner Verheiratung die überflüssigen jungen Palastdamen<br />
zu ihren Eltern zurück, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich anderweitig zu verheiraten.<br />
Schließlich betraute er seinen englischen Lehrer mit der Reorganisation der Verwaltung<br />
des kaiserlichen Sommerpalastes.<br />
Aber die Zeit war abgelaufen. Üble Vorzeichen meldeten sich. Es kamen Brände vor - in<br />
einer Nacht drei, die für das Herrscherhaus ungünstig gedeutet wurden. Immer größer<br />
wurde die Finanznot. Immer neue Schätze mußten verkauft werden. Schon wurden murrende<br />
Stimmen laut, die unzufrieden waren, daß diese doch nicht rein persönlichen<br />
Besitzstücke ins Ausland gingen.<br />
Da vollendete der christliche General das Drama. Als er die Macht in den Händen hatte,<br />
trieb er rücksichtslos den jungen Kaiser und seine Familie aus dem Palast ihrer Ahnen<br />
heraus. Was nun werden wird, ist ungewiß. Aber das eine zeigt sich in allen diesen Vorgängen,<br />
daß auch hier ein Stück alter Zeit mit all ihren Fehlern und Mängeln, aber<br />
ebenso auch mit ihrem Schönen und Edlen unwiederbringlich in die Vergangenheit hinübergleitet.<br />
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