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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Menschen drängt sich durch die Schätze. Man lernt die Farben der Märchen von<br />

Tausendundeiner Nacht verstehen, wenn man hier einmal durchgegangen ist. <strong>Die</strong><br />

Dinge, die umherstehen, haben alle möglichen Formen: Statuetten aus Lapislazuli oder<br />

Topas oder dem blassen wächsernen Nephrit, Vasen von Amethyst und Chrysopras,<br />

Schalen von finsterädrig fließendem Achat, Kugeln aus Bergkristall, in deren lichten<br />

Tiefen sich die Zukunft zu trüben Nebeln ballt, Anhänger aus Bernstein oder Karneol<br />

und Ketten aus Perlen und aus bemalten Porzellankugeln. Ringe sind da, aus denen<br />

Saphire blitzen und Rubine sprühen. Vor allem die Tabatieren! Sie haben die Form von<br />

kleinen Väschen oder Fläschchen, alle möglichen Gestalten und Materialien finden sich:<br />

Elfenbein und Jade und grüner, rotdurchstreifter Moosachat. Das Merkwürdigste wohl,<br />

was unter all diesen Dingen lag, war eine Tabatiere aus der Mongolei aus blassen<br />

weißen Menschenknochen geschnitzt und mit Silber und Türkisen eingefaßt! <strong>Die</strong><br />

Händler stehen ruhig mit ineinandergeschobenen Ärmeln da. Man redet ein paar Worte,<br />

faßt ein Väschen an, fragt im Vorübergehen nach dem Preis und stellt es wieder weg.<br />

Vielleicht kommt man zurück und macht ein Gegenangebot. Und schließlich wird man<br />

handelseinig.<br />

Beim Tempel der weißen Wolke sind Teehäuser errichtet. <strong>Die</strong> Pilgerzüge kommen von<br />

weit her, um hier ihre Verehrung kundzutun. Aber es ist auch für Volksbelustigung<br />

gesorgt. Pferderennen finden statt, und bunte Laternen geben dem Getriebe bei Nacht<br />

einen heiteren Glanz. Beim Gelben Tempel vor dem Nordtor ist ebenfalls ein Markt mit<br />

Rennen und berühmten Maskentänzen, bei denen die Teufel und bösen Geister verscheucht<br />

werden. Von weit her kommen die Lamas und treiben ihre Zauberkünste. Am<br />

meisten Menschen aber werden angelockt von den großen Maskentänzen am Lamatempel<br />

Yung Ho Kung. Wilde Tänze von schrecklichen Masken bewegen sich zu den<br />

markerschütternden Tönen der Muschelhörner und den tiefen Trommelwirbeln. Der<br />

ganze Platz vor dem Tempel ist mit Menschen übersät. Man plaudert, man lacht, man<br />

drängt sich. Manche klettern auf die Bäume und Mauern, und die großen Steinlöwen vor<br />

dem Tor sind mit Reitern ganz überzogen, die alle von da oben besser sehen wollen,<br />

aber häufig wieder in den Menschenbrei herunterrutschen, wo sie mit Lachen empfangen<br />

werden. Priester mit langen Peitschen schlagen nach den unsichtbaren Teufeln.<br />

Aber die Menschen, die in der Nähe sind, weichen auch zurück, wenn der Knall ihnen<br />

näherkommt. Polizisten mahnen und ordnen. Alles macht die Hälse lang, denn jetzt<br />

kommt der Zug heran. Mit Peitschen und Trompeten, mit Lärm und Getöse erscheinen<br />

all die wilden Tier- und Menschenmasken, und der Teufel, ein dürres Wesen mit spitzem,<br />

tückischem Knochenkopf, wird ausgetrieben. Bei einem zweiten Tanz am folgenden<br />

Tag wird er verbrannt. Dann hat die Welt wieder Ruhe für einige Zeit vor diesem<br />

Unhold. - Bei Nacht knattert und knallt es durch die Luft, Feuerregen, Raketen und krachende<br />

Frösche zischen in allen Straßen. Aber auch großes Stangenfeuerwerk wird<br />

abgebrannt. Ein Korb wird an einem hohen Gerüst hochgezogen und die Zündschnur<br />

angebrannt. Dann fallen die Gebilde aus seinem Innern heraus: Türme, Pagoden,<br />

Pavillons, Bäume, Menschen, Pferde. Dünne Schnurgerüste geben die Konturen, die<br />

von oben bis unten umsprüht sind von den mannigfachen Farben des Feuerwerks. Ein<br />

Gebilde um das andere stürzt heraus und bleibt in der Luft hängen. Manche drehen sich<br />

phantastisch, manche stehen unbewegt in ruhigem Glanz. Endlich ist es, als ob eine<br />

Explosion erfolge: nachdem das letzte Feuerbild in sich zusammengesunken, macht ein<br />

dumpfer Knall der ganzen Phantasmagorie ein Ende. <strong>Die</strong> Menge zerstreut sich, und der<br />

Mond hängt schließlich einsam tief im Himmel wie eine runde Papierlaterne, und wenn<br />

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