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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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auch bei anderen Gönnern des Klosters geliehen, aber um eine brauchbare Waffe zu<br />

bekommen, brauchte er doch schon einen europäischen Bekannten. Das Kloster T'ai<br />

Ts'ing Kung bewies sich bei diesem Anlaß übrigens wirklich großzügig und anständig.<br />

<strong>Die</strong> »geborgten« 100 Dollar wurden trotz aller meiner Einwendungen restlos zurückbezahlt,<br />

da der Mann eine Besuchskarte des Klosters bei sich gehabt und daraufhin das<br />

Geld bekommen hatte.<br />

<strong>Die</strong>se Methode freundschaftlicher Darlehen wird von geschickten <strong>Die</strong>ben in China häufig<br />

angewandt. Es war noch zur Kaiserzeit, als bei einem Generalgouverneurwechsel in<br />

einer Provinzialhauptstadt sich folgendes ereignete. Der alte Gouverneur wartete auf<br />

seinen Nachfolger, um ihm die Siegel zu übergeben. Da meldete sich beim Provinzialschatzmeister<br />

ein älterer Herr als Vater des neuen Gouverneurs. Er teilte mit, daß sein<br />

Sohn ihm auf dem Fuße folge, daß er aber vorausgeeilt sei, um einen Vorschuß von ein<br />

paar Tausend Taels zu erheben zur Bestreitung der Kosten des Amtswechsels. Der<br />

Schatzmeister bot ihm Tee an und unterhielt sich mit ihm, und er war über alle Fragen<br />

vollkommen unterrichtet. Unterdessen wurde der neue Gouverneur gemeldet. Er trat ein<br />

und begrüßte den Schatzmeister und seinen Vater aufs höflichste. Nach ein paar Worten<br />

stand der alte Herr auf und sagte: »Ihr werdet wohl Amtsgeschäfte zu erledigen<br />

haben, da will ich nicht weiter stören. Ich bitte nur noch erst um die erwähnte Anweisung.«<br />

Der Schatzmeister stellte die gewünschte Anweisung auf die Provinzialkasse<br />

aus. Der alte Herr ging weg, von den beiden anderen aufs höflichste geleitet. Als sie<br />

wieder Platz genommen und die üblichen Höflichkeitsformeln gewechselt hatten, fing<br />

der Schatzmeister an: »Ihr Herr Vater ist noch recht frisch bei seinem Alter.« Der Gouverneur<br />

seufzte und sprach: »Ja, er war bis zu seinem Ende bei vollen Geisteskräften.«<br />

»Wieso? Was meinen Sie mit dem Ende? Hat er sich von den Geschäften zurückgezogen?«<br />

»Ach ja, er ist vor drei Jahren gestorben.« Der Schatzmeister begann an der<br />

Zurechnungsfähigkeit des Gouverneurs zu zweifeln. »Er war doch eben hier!« Nun<br />

wurde es dem Gouverneur unheimlich. »Wann?« fragte er, »Wie sah er aus?« »Nun,<br />

doch der Herr, der eben weggegangen ist!« »Den kenne ich nicht«, erwiderte der Gouverneur.<br />

»Sie waren aber doch so ehrerbietig zu ihm und ließen ihn auf dem Ehrenplatz<br />

sitzen«, sprach der Schatzmeister. »Das tat ich, weil ich sah, mit welcher Ehrfurcht Sie<br />

ihn behandelten.« Der Schatzmeister fing nach einer Pause zaghaft wieder an: »Dann<br />

hat er wohl auch den Vorschuß nicht in Ihrem Auftrag erhoben?« »Ich dachte nie an<br />

einen Vorschuß«, sagte der Gouverneur bestürzt. »Nun, dann war es ein Schwindler.«<br />

Der Schatzmeister ließ aufs eiligste Kassenbeamte und Wachen kommen. Aber es half<br />

nichts, der alte Herr hatte den Betrag bereits erhoben und war spurlos verschwunden. -<br />

Leider beschränken sich ähnliche Erlebnisse nicht auf chinesische Provinzialschatzmeister.<br />

-<br />

Es war nach der Eroberung Tsingtaus durch die Japaner. Ich hatte während der Belagerung<br />

Tsingtaus die Leitung des chinesischen Roten Kreuzes geführt und war infolge<br />

davon nach der Einnahme auf freiem Fuß belassen worden. <strong>Die</strong> chinesischen Verwundeten<br />

wurden weiterhin gepflegt, und von befreundeter chinesischer Seite wurden mir<br />

von Zeit zu Zeit Mittel dafür zur Verfügung gestellt. Das muß irgendwie bekannt geworden<br />

sein. Denn als ich eines Abends in meiner Wohnung saß und las - die <strong>Die</strong>ner waren<br />

kurz vorher zur Ruhe gegangen - kam plötzlich zur Tür über die Veranda ein merkwürdig<br />

aussehender Chinese ins Zimmer herein, der sich interessiert überall umsah. Noch ehe<br />

ich recht wußte, was er wollte, kamen ein paar weitere nach. Ich fragte nun auf<br />

chinesisch, was sie eigentlich wollten. Statt der Antwort traten zwei von ihnen, ziemlich<br />

finstere Gesellen, hinter mich und hatten mir im Augenblick die Hände auf dem Rücken<br />

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