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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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nung überließ. Da zog er mit seiner Familie ein und ließ nur einige <strong>Die</strong>ner zur Bewachung<br />

in seiner Villa am Meer. Es kamen nun die ernsten Tage der Belagerung, die<br />

doch so reich an Erlebnissen waren, daß man trotz aller Gefahr und Not sie nicht<br />

entbehren möchte. Außer dem Prinzen war noch ein anderer Mandschu in Tsingtau<br />

geblieben, der mir sowohl bei der Führung des Roten Kreuzes, als später bei der<br />

Reorganisation der Schularbeit sehr wesentliche <strong>Die</strong>nste leistete. Wir drei kamen häufig<br />

zusammen. Meine wissenschaftliche Arbeit ruhte auch während der Beschießung nicht.<br />

Dabei fand ich die Unterstützung der beiden, die mir sehr wertvoll war. Der Prinz<br />

beschäftigte sich in seinen freien Stunden damit, an seinem Kriegstagebuch zu arbeiten<br />

und das chinesische Buch der Wandlungen aus einem alten Druck der Sungzeit<br />

abzuschreiben. <strong>Die</strong>ses Buch, an dem so manche Heilige der Vorzeit in ihren schwersten<br />

Stunden gearbeitet haben, half nun auch dem Mandschuprinzen über die schweren<br />

Stunden der Belagerung hinweg. Denn manchmal, wenn die Beschießung sehr heftig<br />

war, drohten seine Nerven doch stärker zu werden als sein Mut, und seine felsenfeste<br />

Überzeugung, daß Gebäude, auf denen die Flagge des Roten Kreuzes wehe, gegen<br />

jeden feindlichen Angriff sicher seien, begann zu wanken.<br />

Denn freilich: des Geschickes Mächte sind stärker als selbst das Rote Kreuz. Das hat<br />

sich im Kriege ja auch in Europa gezeigt. So ereignete es sich gegen Ende der Belagerung,<br />

daß auch unsere Häuser unter Feuer genommen wurden. Ein Glück nur, daß die<br />

japanischen Granaten meist Blindgänger waren. Sonst wäre heute keiner von uns mehr<br />

am Leben. Als auch das Haus, in dem Prinz Kung wohnte, einige Volltreffer bekam, da<br />

war er nicht mehr zu halten. Über Nacht war er mit seiner ganzen Familie weg. Er nahm<br />

Zuflucht in einem Hause, das dem General Tschang Hsün gehörte. Aber auch da sollte<br />

er nicht zur Ruhe kommen. Kaum war er eingezogen, da zerstörte eine einschlagende<br />

Granate die eine ganze Wand des Hauses. Doch kam er glücklicherweise auch hier mit<br />

dem Schrecken davon. Er hat sich nachher mit seinen zwei Söhnen bei den Ruinen<br />

photographieren lassen und hat auch einige der Granatsplitter mit eingravierten Inschriften<br />

versehen lassen und zur Erinnerung aufbewahrt.<br />

Nach der Eroberung Tsingtaus durch die Japaner trieb sich vieles mehr als zweifelhaftes<br />

Gesindel in Tsingtau herum. Nur durch eherne Strenge haben die japanischen<br />

Behörden ernstliche Plünderungen zu verhindern gewußt. Es ist selbstverständlich, daß<br />

auch der Prinz, der sich verborgen hielt, damals in ziemlicher Gefahr schwebte. Ein<br />

früherer mohammedanischer Altertumshändler, der auch zu den zweifelhaften<br />

Elementen gehörte, kam kurz nach der Einnahme Tsingtaus zu mir und erkundigte sich<br />

angelegentlich nach der Wohnung des Prinzen. »Wenn ich seine Wohnung kenne,<br />

vermag ich ihn besser zu schützen, es sind jetzt allerhand Menschen hier, die ihm nach<br />

dem Leben trachten.« Ich durchschaute ihn sofort. Es war auf einen<br />

Erpressungsversuch größeren Stils abgesehen. Daher verriet ich die Wohnung des<br />

Prinzen nicht. Erst später, als die Japaner ihm eine Schutzwache gestellt hatten, teilte<br />

ich dem Mohammedaner die näheren Umstände mit. Aber er lächelte nur sauersüß: »Da<br />

braucht er ja meinen Schutz nicht mehr«, und verschwand. -<br />

<strong>Die</strong> Japaner haben sich dem Prinzen gegenüber äußerst entgegenkommend bewiesen.<br />

Er konnte in sein Haus am Meer wieder einziehen und bekam eine dauernde Schutzwache<br />

gestellt. Merkwürdig: soviel war er während der Belagerung in Tsingtau herumgezogen.<br />

Überall hatten ihn die Schrecken des Krieges verfolgt. Als er schließlich in sein<br />

eigenes Haus zurückkam, da war es vollkommen unversehrt. Kein Mensch hätte es für<br />

möglich gehalten.<br />

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