Die Seele Chinas - Chinaseiten
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dann mit ihrer Tante besprochen. <strong>Die</strong> hatte ihr aber mit ihren Schulden so entsetzliche<br />
Angst gemacht, daß sie nicht wagte, das Anerbieten anzunehmen.<br />
Damit war ihr Schicksal entschieden. Der Freund war fern und konnte ihr nicht helfen.<br />
Sonst hatte sie niemand auf der weiten Welt. Da kam ein Student aus der Gegend von<br />
Yangtse. Er schien sie lieb zu haben und war todunglücklich, als sie seine Liebe nicht<br />
gleich erwiderte. Er schwur, bei seiner Mutter durchzusetzen, daß er sie heiraten dürfe.<br />
<strong>Die</strong> Tante drängte das Mädchen von Tag zu Tag. Endlich gab sie nach. Es folgten ein<br />
paar kurze Wochen einer süßen Liebeszeit, in der das Mädchen zur Tiefe der <strong>Seele</strong> und<br />
voller Schönheit heranreifte. Der Student reiste in seine Heimat zurück und versprach<br />
ehestens zu schreiben. Er hat nie wieder etwas von sich hören lassen.<br />
In banger Erwartung harrte Siu Ying auf seine Wiederkehr. Sie fühlte Ungewohntes in<br />
ihrem Leib sich regen. <strong>Die</strong> Tante tröstete sie: das komme wohl von Geistern her, die<br />
manchmal Nachts die Mädchen quälen. Sie werde vielleicht eine Maus zur Welt bringen,<br />
das sei nicht schlimm. Gleichzeitig gab sie ihr allerlei Arzneien ein. Aber sie brachte<br />
keine Maus zur Welt. Schon begann es, wohin sie kam, leise zu tuscheln und zu<br />
zischeln. Schadenfroh lachten manche Freundinnen über das Pech, das ihr passiert sei.<br />
Andere hatten Mitleid mit ihr. Aber niemand konnte ihr helfen. Sie mußte aus dem<br />
Teehaus verschwinden und sich in die Verborgenheit zurückziehen. Was wohl aus ihr<br />
geworden ist? -<br />
So spielen tragische Ereignisse sich hinter der bunten Außenseite der festlich erleuchteten<br />
acht Gassen ab, in denen Abend für Abend die Autos sich drängen und vornehme<br />
Gäste die kleinen Teehausmädchen besuchen.<br />
In der Nähe dieser Straßen stehen die Theater, in denen bis spät in die Nacht hinein<br />
gespielt wird. Man unterscheidet verschiedene Gattungen von Theaterstücken: das<br />
große historische und das bürgerliche Drama. Das große historische Drama zeigt sich<br />
schon in dem Aussehen der Schauspieler. In prächtigen Rüstungen, mit Wimpeln<br />
umsteckt, erscheinen sie. <strong>Die</strong> Peitsche in der Hand deutet an, daß sie zu Pferde sind,<br />
und in wilden Sätzen tummeln sie ihre imaginären Pferde, bis sie etwa absteigen und<br />
sich zum Kriegsrat versammeln. Der Oberfeldherr sitzt dann auf einem erhabenen<br />
Thron, der durch einen Tisch dargestellt wird. Soll eine Stadt erobert werden, so wird ein<br />
auf blaues Tuch gemaltes Stadttor vorübergetragen. Kulissen in unserem Sinn gibt es<br />
auf dem chinesischen Theater nicht, sondern ähnlich wie auf der Shakespeare-Bühne<br />
werden der Phantasie des Zuhörers nur einige allgemeine Anhaltspunkte gegeben. <strong>Die</strong><br />
Kämpfe der Helden mit ihren oft bewundernswerten akrobatischen Kunststücken, ihre<br />
Gesänge und majestätischen Bewegungen werden von einer rauschenden Musik<br />
begleitet, die namentlich durch ihren Rhythmus aufregend wirkt. <strong>Die</strong> Masken sind alle<br />
symbolisch. Mut und Tapferkeit wird durch bunte schreckliche Zeichnungen des<br />
Gesichts angedeutet. Treue Krieger zeigen in der Regel ein tiefes Rot der Gesichtsfarbe,<br />
während falsche Betrüger widerliche Flecken in einem verdächtig blassen Gesicht<br />
zeigen. <strong>Die</strong> Schauspieler schreiten auf hohen Kothurnen. Alles ist stark stilisiert und auf<br />
die Ferne berechnet, da ja die Stücke in der Regel vor einem vieltausendköpfigen<br />
Publikum gespielt werden.<br />
Wesentlich feiner als diese kriegerischen Stücke sind die bürgerlichen Dramen. Auch sie<br />
enthalten einen Wechsel von gesprochener Rede und Gesang. Das Orchester ist aber<br />
weniger lärmend. An Stelle der vielen Schlaginstrumente und Trommeln, die an<br />
europäische Ohren oft allzu große Anforderungen stellen, werden mehr Geigen und<br />
Flöten verwandt. Auch im bürgerlichen Stück ist Handlung und Bewegung stark stilisiert.<br />
Jede Gemütsbewegung hat ihren festen Ausdruck. Eine Frau, die Angst hat, hält z. B.<br />
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