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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Neben diesen feinkörperlichen, immer zur Wirkung auf die Menschen bereiten und<br />

materialisationsfähigen Geistern und Dämonen, in deren Reihen sich übrigens auch<br />

außermenschliche, oft tierische Wesen finden, hat die Vorstellung des Jenseits sehr<br />

wohl Platz. Einerseits sind im Menschen mehrere physische Wesen vereinigt, die<br />

ursprünglich wohl irgendwie ähnliche Gebilde wie die griechische Schatten-, Hauch- und<br />

Körperseele sind. Andererseits ist das Jenseits in seiner gegenwärtigen Auffassung nur<br />

als Übergangszustand gedacht. Es ist nichts Körperliches, sondern nur ein Bewußtseinszustand.<br />

»Himmel und Hölle sind im Bewußtsein des Menschen.« Das ist ein<br />

immer wiederkehrender Satz der chinesischen Jenseitslehre. Deswegen kann es auch<br />

gelegentlich vorkommen, daß ein Mensch zu seinen Lebzeiten Himmel und Hölle<br />

durchwandert. Himmel und Hölle sind die psychischen Auswirkungen der Taten des<br />

Menschen in diesem Leben. Wenn durch den Aufenthalt im Himmel der Schatz der<br />

guten Werke »aufgebraucht« ist oder in der Hölle die Frevel abgebüßt sind, kommt die<br />

<strong>Seele</strong> in ihrer innersten Entelechie wieder zur Verkörperung. <strong>Die</strong> <strong>Seele</strong>n werden an das<br />

große Lebensrad geschleppt, wo sie das gelbe Wasser der Vergessenheit trinken. Dann<br />

werden sie in das Rad hineingestoßen. Es dreht sich knarrend. Sie verlieren das<br />

Bewußtsein und finden sich wiedergeboren auf der Erde. Ebensowohl wie es möglich<br />

ist, daß der Körper des Kindes sich im Mutterleib entwickelt, während die <strong>Seele</strong> noch im<br />

Jenseits weilt, ist es auf der anderen Seite, zu Beginn des Jenseitsstadiums, solange<br />

die <strong>Seele</strong> noch nach außen gewandt ist, möglich, daß sie ihren Hinterbliebenen<br />

erscheint, während sie im Jenseits wandert. Eine der ersten Stationen ist ja auch die<br />

Terrasse, von der aus die scheidenden <strong>Seele</strong>n noch einen Blick auf ihre Heimat tun<br />

können, ehe sie über den Fluß müssen.<br />

Daß man an sein früheres Leben sich nicht mehr erinnert, kommt nur davon her, daß<br />

man aus den gelben Quellen getrunken. Manchen Menschen aber ist es vergönnt, einen<br />

plötzlichen Blick in frühere Daseinsstufen zu tun.<br />

In einem der taoistischen Klöster des Laoschan hörte ich in der Abenddämmerung unter<br />

dem geheimnisvollen Kamelienbaum, in dem eine Blumenfee wohnt, eine Geschichte<br />

dieser Art. Der Abt ließ seine Zither verklingen, und durch die dunklen Zweige der Pinien<br />

blickte der hellere Himmel hindurch, während hinten die Felsen der Gipfel leise<br />

verglommen und ein prasselndes Reisigfeuer seinen Rauch zum Himmel sandte. Der<br />

Priester begann: Kürzlich war ein Mann hier, der wußte von seinem früheren Leben. Er<br />

war wegen eines bösen Lebenswandels in die Hölle gekommen und hatte dort lange<br />

Jahrhunderte schmachten müssen. Endlich sei die Zeit seiner Qual erfüllt gewesen. Er<br />

sei zum Lebensrad gekommen. Dort habe er eine Jacke aus dunklem Atlas bekommen,<br />

die ihm ausnehmend gut gefallen habe. Er habe sie angezogen, dann sei er in das Rad<br />

gestoßen worden. Ein Schwung - und er befand sich wieder auf der Erde. Seine Brüderchen<br />

und Schwesterchen seien klein und blind gewesen und haben gierig an der<br />

Mutter getrunken. Auch er habe sich hinzugemacht. Sie lagen auf dem Mist. Fliegen<br />

surrten umher und setzten sich ihnen auf die Augen. Aber all der Schmutz und Geruch,<br />

den er wohl empfand, war ihm nicht im mindesten unangenehm. Er wälzte sich wohlig in<br />

der weichen Masse. Nach einiger Zeit habe er ein hübsches dunkles Mädchen um die<br />

Ecke kommen sehen. Nach kurzem Beschnuppern habe sie ihm die Ehe versprochen.<br />

Mit der Zeit habe sie Kinder bekommen, einen ganzen Wurf auf einmal. Er merkte nun<br />

wohl, daß Frau und Kinder Schweine waren, aber auch das war ihm nicht unangenehm.<br />

Mit blinzendem Behagen verspeiste er einige der zarten, niedlichen Kleinen, worüber<br />

ihm seine Frau eine Szene machte. »Ja, so seltsam sind die Frauen,« habe er gedacht,<br />

»und dazu ist diese ein Schwein, was habe ich mich weiter um sie zu kümmern?« Damit<br />

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