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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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unter dem Zeichen der Erntefröhlichkeit steht, so ist das Mondfest trotz der Gedanken<br />

an das niedergehende Jahr dennoch ein Freudenfest. Namentlich die Frauen feiern das<br />

Mondfest gerne. Ist doch auch die Mondfee, die auf dem Schloß im Monde wohnt und<br />

dort einsam über dem Meere schwebend am dunklen Himmel die Unsterblichkeit<br />

gefunden hat, die Vertreterin des weiblichen Geschlechts. Am Mondschloß steht auch<br />

ein Kassiabaum. Denn um die Mittherbstzeit blüht die Kassia mit ihren süßduftenden,<br />

kleinen goldgelben Blüten. <strong>Die</strong>ser Kassiabaum auf dem Monde wächst und wächst und<br />

deckt mit seinem Schatten das ganze Mondlicht zu, bis er von Zeit zu Zeit wieder<br />

abgehauen wird. Auch ein Hase ist im Mond - wie in der Sonne eine Krähe -; dieser<br />

Hase stößt in einem Mörser die Kräuter des ewigen Lebens. Darum werden am Mondfest<br />

tönerne Hasen an die Kinder geschenkt. Der Mondhase ist weiß mit schönen roten<br />

Augen. Oft sieht man Abbildungen der Mondfee mit der Mondscheibe, und der Mondhase<br />

sitzt dann vertraulich bei ihr. Der Mond ist das Prinzip des himmlischen Wassers;<br />

man kann es mit einem konvex geschliffenen blanken Spiegel vom Mond herunterholen,<br />

wie man mit einem Hohlspiegel aus der Sonne das himmlische Feuer holen kann.<br />

Der Mond ist aber doch nicht nur weiblich. Es treibt ein geheimnisvoller Alter, der Mondgreis,<br />

auf ihm sein Wesen. Der schleicht in der Nacht heimlich umher und bindet die<br />

Beinchen von neugeborenen Knaben und Mädchen mit einem unsichtbaren roten Zauberfaden<br />

aneinander. <strong>Die</strong>ser unsichtbare Faden ist so stark, daß niemand ihm widerstehen<br />

kann. Wenn der Knabe und das Mädchen herangewachsen sind, so werden sie,<br />

sich selber unbewußt, durch eine starke Fessel zueinander gezogen. Und wehe ihnen,<br />

wenn ihre Lebenswege einander einmal nahekommen, dann geht es ohne Hochzeit<br />

nicht mehr ab.<br />

<strong>Die</strong> Frauen haben in China eine Freude am Ehestiften. Manche gibt es, die machen sich<br />

einen regelrechten Beruf daraus. Aber auch die übrigen sind gerne als Ehevermittlerinnen<br />

behilflich, wo es gilt, ein passendes Paar zusammenzubringen. Ohne Vermittlung<br />

kann man ja in China keine Ehe schließen; denn nicht die beiden Nächstbeteiligten<br />

heiraten einander nach Belieben, sondern es ist eine Familiensache. <strong>Die</strong>ser alte Mann<br />

im Mond nun macht sich ein Vergnügen daraus, die Ehen im Himmel zu schließen.<br />

Vielleicht verehren ihn die Frauen deshalb so.<br />

Das Mittherbstfest ist in der schönsten Jahreszeit, gleichweit entfernt von den drei Hitzeperioden<br />

der Hundstage und den drei Kälteperioden des Spätwinters, und der Herbst<br />

ist in China viel schöner als der Frühling. Denn der Frühling muß sich unter viel Stürmen<br />

und rückfälliger Kälte aus den Fesseln des Winters herausarbeiten. Lange noch lastet<br />

der kontinentale Hochdruck mit seinen nordwestlichen Staubwinden über der chinesischen<br />

Ebene. Wenn der Umschwung eintritt, so setzt gewöhnlich auch schon gleich die<br />

Sommerhitze ein. Der Herbst dagegen ist ein mildes Abklingen der heißen, feuchten<br />

Wolkentage des Sommers. Der Himmel ist wochenlang von strahlender Reinheit, die<br />

Luft ist klar, so daß bis fernhin an die Berge die Umrisse des Horizonts sich scharf und<br />

dunkel abheben. Kein Sturmwind stört das ruhige Leuchten dieser Tage. Still dehnt sich<br />

der See, und fern aus dem Schilf klingen die Töne einer Flöte wehmütig durch den<br />

Äther.<br />

Wenn diese schönen Tage vorüber sind, wenn der kalte Tau fällt, kommen die Herbstnebel<br />

aus den Tälern hervor. Das sind gefährliche Zeiten der Seuche. Darum steigt man<br />

jetzt auf die Höhen, um vor den Abendnebeln gesichert noch einmal beim Wein des<br />

Herbstes zu genießen. Das ist der neunte des neunten Monats, das doppelte Yang<br />

(Tsch'ung Yang), denn neun ist die Zahl des Yangprinzips, und der Verdoppelung dieser<br />

Lichtzahl wird an diesem Feste des sinkenden Jahres gedacht. Das Lichte kämpft hier<br />

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