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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Zigarette noch eine Tasse von irgendeinem kräftigen Tee. Man wechselt noch ein paar<br />

Worte und verabschiedet sich dann sehr rasch.<br />

<strong>Die</strong> einzelnen Mahlzeiten dauern, wenn sie erst angefangen haben, nicht übermäßig<br />

lange. Es kommt bei vielbeschäftigten Menschen wohl vor, daß sie an einem Abend zu<br />

zwei oder drei Mahlzeiten gehen. Sie sind von verschiedenen Freunden eingeladen und<br />

möchten keinen durch eine Absage kränken, so verabreden sie die Reihenfolge, in der<br />

sie bei den verschiedenen Diners erscheinen, und kommen dann bei dem einen zur<br />

ersten Hälfte, beim andern zur zweiten. Ein humaner Zug bei diesen Diners ist, daß<br />

nicht nur die geladenen Gäste bewirtet werden, sondern auch die Kutscher, Chauffeure<br />

oder Rikschakulis, die sie mitgebracht haben. Wenn die Gäste versammelt sind, wird<br />

eine Liste aufgestellt, wer einen <strong>Die</strong>ner draußen hat, und jeder von ihnen bekommt dann<br />

eine kleine Summe für Eßgeld ausgehändigt, die dem Gastgeber mit auf die Rechnung<br />

gesetzt wird.<br />

<strong>Die</strong>se Mahlzeiten zeigen mehr das offizielle Bild. Es gibt in Peking eine ganze Reihe von<br />

Restaurants, die auch recht guten Zuspruch von Europäern haben, denn ihre Speisen<br />

sind so vorzüglich und schmackhaft zubereitet, daß auch viele Fremde das Bedürfnis<br />

haben, sich von der täglichen Routine gelegentlich durch ein chinesisches Essen zu<br />

erholen.<br />

<strong>Die</strong> Chinesen sind seit uralten Zeiten Meister der Kochkunst. Auch die bedeutendsten<br />

Staatsmänner und Weisen haben es für nicht unter ihrer Würde erachtet, sich mit dem<br />

Nachdenken über Speisen und ihre Zubereitung zu beschäftigen. Der Sage nach hat in<br />

der ersten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends der berühmte Staatsmann I<br />

Yin den großen König T'ang dadurch für seine Pläne gewonnen, daß er als Koch in<br />

seine <strong>Die</strong>nste trat. Das mag Sage sein, aber wir haben aus der Mitte des dritten vorchristlichen<br />

Jahrhunderts eine Abhandlung über die Gespräche, die bei diesem Anlaß<br />

geführt worden seien. Damals wenigstens muß also das Nachdenken sich diesen Dingen<br />

bereits zugewandt haben. Es heißt da * u. a.:<br />

Als der König T'ang den I Yin gefunden hatte, stellte er ihn im Ahnentempel dar. Er<br />

stellte ihn in das Licht des heiligen Feuers und bestrich ihn mit dem Blut des Opferschweins.<br />

Am folgenden Tag hielt er Hof und empfing ihn. Da redete er mit T'ang über<br />

die Kochkunst. T'ang sprach: »Könnt ihr die feinsten Speisen zubereiten?« I Yin sprach:<br />

»Euer Land ist klein, da läßt sich nicht alles beschaffen. Wenn man aber Großkönig ist,<br />

dann findet sich alles.« Dann hob er an: »Von den Tieren der drei Naturreiche haben die<br />

im Wasser lebenden einen tranigen Beigeschmack, die Fleischfresser einen wilden<br />

Beigeschmack und die Grasfresser einen ranzigen Beigeschmack. Aber trotz dieser<br />

Beigeschmäcke kann es gut schmecken. Es kommt nur auf die Zubereitung an. <strong>Die</strong><br />

Grundlage aller Speisen ist vor allem das Wasser. Es gibt fünf Geschmacksarten, drei<br />

Materialien, neun Kochweisen, neun Bratweisen der Speisen, wobei es auf die Anwendung<br />

der verschiedenen Feuer ankommt. Zuweilen muß das Feuer rasch sein, zuweilen<br />

langsam. Den Beigeschmack des Tranigen, Wilden, Ranzigen bekommt man durch<br />

stärkere Gegenmittel weg, wenn man die richtige Reihenfolge nicht verfehlt. Bei der<br />

Mischung muß man süß, sauer, bitter, scharf und salzig richtig abwägen, man muß wissen,<br />

was von jedem früher, was später zugesetzt werden muß und wieviel von jedem.<br />

<strong>Die</strong>se Verteilung ist sehr kompliziert, muß sich aber in allen Stücken nach der Regel<br />

richten. <strong>Die</strong> Veränderungen, die mit den Speisen nach dem Anrichten noch in der<br />

Schüssel vor sich gehen, sind so fein und geheimnisvoll, daß man sie gar nicht in Wor-<br />

* vgl. Lü Schï Ts'iu.<br />

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