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Die Seele Chinas - Chinaseiten

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Viertes Kapitel<br />

<strong>Die</strong> Revolution<br />

Während die Dinge in China immer mehr chaotisch wurden, starb mit der Kaiserin-<br />

Witwe Tsi Hsi die einzige starke Persönlichkeit, die imstande gewesen war, die<br />

Verhältnisse nach einheitlichen Gesichtspunkten zu regeln und den Ehrgeiz einzelner<br />

Satrapen so weit zu dämpfen, daß keine Gefahr für die Gesamtheit erwuchs. Sie war es<br />

auch gewesen, die die Reformen gegen die sehr widerstrebenden Mandschukreise und<br />

ihren Anhang in der Hauptstadt mit großer Energie vertreten hatte. Bei dem ungeheuren<br />

passiven Widerstand dieser Leute, die naturgemäß ihre ganze Drohnenexistenz aufs<br />

Spiel gesetzt sahen, wenn die Reformen nicht wirksam sabotiert werden konnten, war<br />

ohne eine solche Persönlichkeit von ganz überragender Kraft nicht daran zu denken,<br />

daß etwas wirklich Gründliches sich durchsetzen werde.<br />

Der Tod der Kaiserin-Witwe trat nach einer längeren Krankheit ein. Unmittelbar vorher<br />

starb ihr schwacher Neffe auf dem Thron. Man hat viel davon gesprochen, daß sie ihn,<br />

als sie ihren Tod herannahen fühlte, habe ermorden lassen. Beweise dafür sind nicht<br />

vorhanden. Der Kaiser war schon lange vorher gesundheitlich sehr herunter, und selbst<br />

wenn er ermordet worden ist, kann es von seinen Feinden und den Eunuchen geschehen<br />

sein, ohne daß sie Auftrag dazu hatten. Schon zu Lebzeiten haben sie ihn reichlich<br />

schlecht behandelt, und oft lange vor dem Tor knien lassen, wenn er seine Tante besuchen<br />

wollte. So wäre es durchaus verständlich, daß sie nicht wünschten, nach dem Tod<br />

ihrer Herrin in seine Hände zu geraten, und daß sie darum der Abwendung dieses<br />

Ereignisses künstlich nachhalfen. Jedenfalls aber schien die alte Herrscherin bei Erhalt<br />

der Nachricht eher erleichtert zu sein. Sie ging nun unverzüglich daran, ihren<br />

zweijährigen Großneffen, den Sohn des Prinzen Tschun, der als Sühneprinz in<br />

Deutschland bekannt ist, zum Kaiser ausrufen zu lassen, obwohl in dem Prinzen P'u<br />

Lun und dem Prinzen Kung zwei nähere Aspiranten vorhanden waren. Aber energisch<br />

bis zuletzt setzte sie ihren Willen gegen allen Widerstand durch, dann starb sie.<br />

Man kann nicht sagen, daß dem Prinzen Tschun, der für seinen unmündigen Sohn<br />

zunächst die Regentschaft führen mußte, eine leichte Aufgabe zugefallen war. Was der<br />

Energie der verstorbenen Fürstin schon schwer geworden war, wurde für ihn doppelt<br />

erschwert, da er nicht in der durch Jahrzehnte lange Gewohnheit befestigten Stellung<br />

war, die sie eingenommen hatte, vielmehr mitten im Streit der Intrigen drin stand, die<br />

namentlich im Prinzen P'u Lun einen Mittelpunkt hatten, der sich als eine Art von<br />

Citoyen Orléans aufspielte * .<br />

* <strong>Die</strong> Kaiserin-Witwe hatte durch die Ernennung des kleinen Prinzen nur die Tatsache bestätigt, daß sie<br />

die Thronfolge von der älteren Linie des Kaiserhauses auf die jüngere Linie verschob aus Rücksicht auf<br />

ihre eigene Familie Yehonala, die mit dieser jüngeren Linie durch ein System von Ehen verknüpft war.<br />

Demgegenüber kommt es kaum in Betracht, daß sie das alte Unrecht, das sie gegen ihren Sohn<br />

begangen hatte, indem sie niemand bestimmte, der ihm die Opfer darbringen konnte, dadurch<br />

auszugleichen suchte, daß der junge Kaiser nun gleichzeitig von den beiden verstorbenen Kaisern<br />

adoptiert wurde. Er hat somit drei Väter, einen wirklichen und zwei Adoptivväter. Ein durchaus singulärer<br />

Fall!<br />

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